Zimbabwe 2005 - Radurlaub in Afrika

-verkürzte Version-

 

Sonntag-Montag,10./11. Juli`05,    

Harare

On the road again! Voll Spannung sitzen wir im Nachtflug nach Südafrika, doch ich kann keine Minute schlafen, zu viele Gedanken stürmen auf mich ein.

Pünktlich zu unserem Urlaubsbeginn spitzt sich die politische Krise in Zimbabwe immer mehr zu und wir hören jede Menge negative Schlagzeilen: Hungersnot, Militäranschläge auf die Bevölkerung, absoluter Rückschlag für den Tourismus. Es gibt angeblich weder Essen noch Benzin zu kaufen, und selbst von der einheimischen Währung, den Zim-Dollars, hört man, dass die kaum zu wechseln sei.

Als wir in Harare ankommen, gilt unsere erste Sorge dem Gepäck, doch alles ist gut angekommen. Zuerst müssen wir uns das Einreisevisum besorgen. Hier werden wir mehrmals von verschiedenen Personen gefragt, weshalb wir nach Zimbabwe kommen uns was wir hier vorhaben. Die Angst vor Journalisten aus dem Ausland ist sehr groß! Wir erklären unser Vorhaben und werden eingelassen; doch kaum haben wir diese Hürde hinter uns gebracht, erscheint das nächste Problem.

Per Telefon und Email von Zuhause habe ich mit unserer Lodge abgemacht, dass sie uns vom Flughafen abholen sollen, doch hier ist nun niemand zu sehen! Große Ratlosigkeit – was sollen wir tun? Nach längerem Warten gehe ich zu einem Bankschalter am Flughafen, um Euro in Zim-$ einzutauschen. Ich muss zu einem furchtbar schlechten Kurs wechseln, nun haben wir Tausende von Zim-$ und somit Bargeld, um telefonieren zu können. Ich rufe in der Lodge an und dort ist man ganz erstaunt, dass wir schon da sind und warten. Eine halbe Stunde später fährt ein Landcruiser vor und wir können alles einladen.

Die erste Afrika-Lektion haben wir so schon ganz am Anfang gelernt: man braucht hier viel Zeit und Geduld, hier ticken die Uhren langsamer.

Unsere Fahrer George – gleichzeitig auch Besitzer unserer Lodge – ist sehr freundlich und erzählt uns auf der Fahrt viel über sein Land. Die Menschen sind hier sehr freundlich zu uns und jeder grüßt, keine Spur von Hass auf die Weißen.

Im Vergleich zu Asien ist hier alles verhältnismäßig sauber, relativ wenig Unrat im Straßengraben und kein Gestank. Dass so wenig Verkehr auf den Straßen ist, ist wohl eher auf die Wirtschaftskrise zurückzuführen – es gibt kaum Benzin! Die Straßen sehen fast schon unwirklich leer aus, es passt einfach nicht zu einer Landeshauptstadt. Doch gut für uns, denn so ist Radfahren verhältnismäßig ungefährlich.

Unsere Lodge macht von außen einen ganz unscheinbaren Eindruck – keine Hausnummer, kein Hinweisschild – wir halten einfach nur vor einem Metalltor. Im ersten Moment erscheint uns das schon ein wenig seltsam, doch sobald wir im Innenhof angekommen sind und die Gebäude sehen, sind wir beeindruckt: mehrere kleine Häuschen stehen in einem gepflegten Garten verteilt und George zeigt uns alles, damit wir uns ein Zimmer aussuchen können.

Die Zimmer sind alle unterschiedlich groß und auch unterschiedlich eingerichtet. Wir entscheiden uns für ein ruhiges Doppelzimmer im Hauptgebäude. Es liegt direkt gegenüber von der Küche, so dass wir es zum Kochen nicht allzu weit haben. Das Badezimmer liegt auch in nächster Nähe, wir wohnen strategisch günstig.

Nachdem wir uns einigermaßen eingerichtet haben, gehen wir in den nahegelegenen Einkaufskomplex, um uns eine aktuelle Landkarte in einem der Läden zu kaufen. Das ist leichter gesagt als getan, denn der erste Bücherladen, den wir finden, besteht hauptsächlich aus leeren Regalen, hier und da liegt mal ein Gegenstand. Im nächsten Laden haben wir dann mehr Glück, wir finden eine einzige Landkarte von Zimbabwe, die wir auch sofort kaufen.

Anschließend gehen wir rüber zum Supermarkt, um Lebensmittel zu kaufen. Im Gegensatz zu den Berichten aus der Zeitung zuhause gib es schon etwas zu kaufen, die Auswahl an Essen ist jedoch begrenzt. Wir finden schnell heraus, dass es bestimme Lebensmittel nur an bestimmten Wochentagen zu kaufen gibt; Brot ist Mangelware, da muss man in der Schlange anstehen und nur wenn man Glück hat, bekommt man auch eins ab. Wir kaufen, was uns möglich ist – bestimmte Sachen wie Käse sind auch einfach zu teuer – und gehen wieder zurück zur Lodge.

Auf dem Rückweg dorthin müssen wir uns tatsächlich beeilen, denn es ziehen wirklich Regenwolken auf. Kurz nachdem wir unter Dach sind, fängt es auch schon an zu regnen. Darüber sind wir sehr erstaunt, haben wir doch im Reiseführer Zimbabwe gelesen, dass es hier im Juli nur eine Regenwahrscheinlichkeit von 5% gibt – Volltreffer.

Nach dem Abendessen bauen wir dann im Dunkeln unsere Räder zusammen und sind ganz erstaunt darüber, dass hier schon um 18.00 Uhr die Nacht anfängt.

Unseren ersten Abend lassen wir dann bei einem Bier in der Bar unserer Lodge gemütlich ausklingen. Einzige Gesellschaft sind die drei Katzen der Lodge, außer uns gibt es hier im Moment keine Gäste. George hat uns schon auf der Hinfahrt zur Lodge erzählt, dass der Tourismus in Zimbabwe komplett zum Erliegen gekommen ist. Von der anstrengenden Reise noch ziemlich mitgenommen gehen wir früh ins Bett und schlafen auch sofort ein.

 

Dienstag, 12. Juli´05

Harare

Als ich heute morgen die Augen aufschlage, dauert es eine zeitlang, bis ich weiß, wo ich bin. Alles scheint irgendwie noch so unwirklich!

Nach dem Frühstück montieren wir die Räder fertig und ziehen alle Schrauben nochmals an, um gut auf die große Tour vorbereitet zu sein. Anschließend gehen wir zu Fuß auf Erkundungstour. Wir wollen uns die Innenstadt von Harare ansehen, das ist zwar ein Fußweg von 45 Minuten, wir möchten aber die Räder noch nicht benutzen. Um das Zentrum zu finden, müssen wir immer nur geradeaus gehen. Als wir in der City ankommen, sind wir enttäuscht. Es gibt keinen Markt, die Straßenstände sind vor zwei Wochen von der Regierung niedergerissen und verboten worden, für Touristen gibt es absolut nichts Interessantes.

Wir laufen eine zeitlang ziellos durch die Straßen und sehen uns die teueren Geschäfte an, noch nicht einmal Reiseandenken könnte man hier kaufen! Als wir hungrig werden, kaufen wir uns in einem Geschäft Bananen und Kekse und setzen uns zum Essen in den Park. Auch hier ist alles „normal“. Wir werden zwar hier und da von Passanten angeguckt, aber mehr auch nicht. Andere Touristen sehen wir keine. Anschließend gehen wir wieder zurück in Richtung Lodge – mit leeren Taschen und vollen Geldbeuteln, das kommt auch selten vor.

Kurz vor unserer Unterkunft finden wir in einen Laden, in dem wir Reinigungsbenzin für unseren Kocher zu kaufen können. Es ist wesentlich günstiger als normales Benzin, das es auf dem Schwarzmarkt für 2US-Dollar pro Liter zu kaufen gibt.

Den Rest des Nachmittags verbringen wir damit, unser Gepäck in die Radtaschen zu verteilen, denn morgen soll die große Fahrt starten.

Außer uns ist mittlerweile auch ein schweizer Paar hier zu Gast. Die Beiden sind nun schon seit drei Wochen hier in Zimbabwe unterwegs und haben uns viel zu erzählen. Wichtig für uns ist, dass sie hier keine Kriminalität erlebt haben – ganz im Gegenteil, sie sind von der Bevölkerung absolut begeistert und hoffnungslos mit dem „Afrika-Virus“ infiziert.

Gegen Abend kann ich dann auch das Internet des Hauses benutzen und endlich mal den Daheimgebliebenen eine Nachricht schreiben, um ihre Sorgen zu zerstreuen. Wir sitzen noch lange gemütlich am Kaminfeuer in der Bar, bevor sich unsere Wege trennen. Die Beiden fliegen übermorgen zurück in die Schweiz, während wir dann schon auf dem Rad in Richtung Westen unterwegs sind.

Relativ spät legen wir uns ins Bett, doch obwohl ich sehr müde bin, kann ich lange nicht einschlafen.

 

Mittwoch, 13. Juli´05

Kadoma

Oft ist es gut, wenn man morgens noch nicht weiß, was der Tag so alles beinhalten wird. Bis zu unserem Aufbruch in Harare verläuft alles noch planmäßig: Frühstück, Taschen packen, Hotel bezahlen... George erklärt uns, wie wir am besten aus der Stadt hinauskommen, wir befinden uns fast am Stadtrand. Die wichtigen Sachen wie Rückflugtickets, Passkopien und das Datum unseres Abflugs lassen wir im Safe der Lodge zurück, dann rollen wir los.

Die Straßen sind relativ flach und asphaltiert. Es ist ungewohnt, mit dem ganzen Gepäck das Gleichgewicht zu halten, und am Anfang muss ich ziemlich aufpassen, wenn ich um eine Kurve fahre, um nicht umzukippen. Auch mit dem Linksverkehr haben wir die üblichen Anfangsschwierigkeiten: bei jeder Kreuzung müssen wir zuerst einmal überlegen, damit wir auch auf der richtigen Spur weiterfahren.

Die Bevölkerung ist freundlich zu uns und grüßt schon von weitem, wir werden nicht bedrängt und auch nicht angebettelt. In einem Randbezirk von Harare sehen wir auch die vom Militär niedergerissenen Häuser zum ersten Mal. In den deutschen Zeitungen zuhause haben wir schon gelesen, dass Zimbabwes Präsident Mugabe seine Nichtwähler so bestraft, nun müssen wir uns mit eigenen Augen davon überzeugen.

Als wir weiterfahren, sehen wir bald die ersten Affen am Straßenrand – eine Meute Meerkatzen, die uns neugierig beobachtet. Nach 50 Km machen wir die erste Pause und es dauert nicht lange, da haben wir auch ersten Kontakt mit der Landbevölkerung. Zwei Männer, die mit einem Karren Holz unterwegs sind, stecken in einer tiefen Sandkuhle fest und erst mit vereinten Kräften geling es uns nach vielen Versuchen, den Karren wieder in die Gänge zu bekommen. Etwa 20 Km später ist dann mein Akku endgültig leer und ich bin nicht mehr in der Lage, die Pedale auch nur einen Meter weiter zu treten. Da es noch über 30 Km bis zum nächsten Ort sind, entscheiden wir uns dafür, per Anhalter bis zum eigentlichen Ausgangsort unserer Radtour – nach Kadoma – zu fahren.

Irgendwann hält ein Pritschenwagen und befördert unsere Räder und uns auf die Ladefläche. Für 40.000 Zim$ fahren wir bis nach Kadoma. Es ist mal wieder ein Freiluftabenteuer der besonderen Art und großes Glück für uns. Etwa fünf Kilometer nachdem wir zugestiegen sind, belagert eine große Pavianherde die Straße. Mit dem LKW kein Problem – mit dem Rad ein doch recht großes! Als wir nach über 70Km endlich in Kadoma ankommen, geht schon die Sonne unter. Wir schwingen uns wieder auf unsere Räder und fahren dann bis zur „West View Lodge“ außerhalb der Stadt, die von unserem LP-Reiseführer empfohlen wird.

Dort gibt es für uns eine große Überraschung: als wir nach den im Buch angegebenen Campingmöglichkeiten fragen, gibt es die dort nicht mehr. Die Angestellten bieten uns an, für 10 US$ das Zelt aufbauen zu dürfen, jedoch ohne sanitäre Anlagen oder Duschen. Wir sind baff über diesen Wucherpreis und lehnen ab. Mittlerweile ist es schon stockdunkel, als wir uns wieder auf unsere Räder schwingen und zurück zum Dorf rollen. George von „Small World“ hat uns geraten, bei Orientierungsschwierigkeiten bei der Polizei zu fragen. Wir rollen also zur Polizeistation und fragen dort nach Rat. Verwundert blicken die auf unsere Räder und schicken uns dann zum „Kadoma Ranch Hotel“ am anderen Ende der Stadt, doch auch hier ist zelten unmöglich! Der Manager ruft bei der Polizei an und klärt die über ihren Fehler auf, dann wird uns wieder „West View“ vorgeschlagen – von dem wir ja gerade kommen. Enttäuscht ziehen wir wieder los, offensichtlich bleibt uns keine andere Wahl.

Als wir dann wieder an deren Rezeption stehen, ist es schon zu spät, um noch das Zelt aufzubauen – außerdem ist ein normales Zimmer nur unwesentlich teurer. Wir beißen also in den saueren Apfel und bezahlen das Zimmer – in Zim$ natürlich. Nun scheint die Odyssee endlich ein Ende zu haben. Als wir nach dem Kochen gesättigt und einigermaßen sauber (die Dusche funktioniert nicht) auf dem Bett sitzen, klopft es an der Tür. Das unfreundliche Mädchen von der Rezeption ist da und will unseren LP haben, da ihr Chef jetzt da sei und das Buch sehen will. Ich gehe mit nach vorne, Peter bleibt im Zimmer.

An der Anmeldung stehe ich einem völlig betrunkenen Mann gegenüber. Das Mädchen wirkt nun verängstigt und bittet mich, sie alles erklären zu lassen. Der Chef sagt, wir hätten das Zimmer in US-$ zu bezahlen, doch ich gebe an, nur Zim-$ zu besitzen. Nach einer halben Stunde mit eher beunruhigendem Smalltalk hat sich das Gespräch irgendwie doch noch friedlich entwickelt und nachdem ich mich höflich verabschiedet habe und die Unterkunft lobe, gehe ich unbehelligt ins Zimmer zurück. Es ist schon spät, als wir endlich todmüde im Bett liegen, doch ich bin mal wieder so aufgewühlt von den Erlebnissen, dass ich lange nicht schlafen kann.

Dieser erste Tourtag ist so ereignisreich gewesen, hoffentlich wird es nun etwas ruhiger weitergehen.

 

Donnerstag, 14. Juli´05

Empress Mine

Nach einem langen, anstrengenden Tag sind wir am frühen Nachmittag in der Goldgräberstadt angekommen. Doch bevor es soweit kommt, gibt es viel zu erzählen.

Wir stehen schon um 7.00 Uhr auf, da wir aus dem letzten Erlebnis doch etwas gelernt haben: noch mal in völliger Dunkelheit mit dem Rad unterwegs zu sein, ist nicht unbedingt nötig und strapaziert die Nerven nur unnötig. Wir packen also zeitig unsere Räder, verabschieden uns und ziehen los. Die ersten Kilometer rollen die Räder fast von alleine, die Straße ist in einem guten Zustand und alles ist topfeben. Jedes mal, wenn wir an einer Schule vorbeirollen, schreien und jubeln uns die Schulkinder zu, wir kommen uns vor wie bei der Tour de France. Alle Menschen sind hier unheimlich freundlich und grüßen uns – und auch wir beherrschen schon die wichtigsten Begrüßungsformen in Shona.

Mittlerweile ist die breite Straße einem schmalen asphaltierten Teerstreifen gewichen, und jedes Mal, wenn ein Auto von vorne oder von hinten kommt, müssen wir auf den unbefestigten Randstreifen ausweichen. Das ist mit dem schweren Rad immer eine größere und wacklige Aktion, doch glücklicherweise fahren hier nicht mehr so viele Autos. Unsere improvisierte Mittagspause machen wir unter einem Baum am Straßenrand zwischen großen Felsbrocken; eine herrliche Landschaft. Zu „essen“ gibt es die leckere Peronin-Flüssignahrung, die wir möglicht ohne viel Schmecken runterschlucken. Das Zeug macht zwar satt, aber das ist gerade auch alles. Mit der Gabel bekommen wir die Klumpen im kalten Wasser nicht richtig verrührt – diese sind am besten ohne Kauen runterzuschlucken, so erspart man sich einiges! Im Gegensatz zu Nepal können wir hier unterwegs kaum Nahrung kaufen, selbst in den Dörfern gibt es keine richtigen Geschäfte mit Lebensmitteln.

Jedes vorbeifahrende Auto hupt und winkt uns freundlich zu. Nach etlichen Radkilometern kommen wir dann endlich in unserem Zielort Empress Mine an. Wo wir hier übernachten sollen, wissen wir selbst noch nicht so ganz genau – der Ort besteht aus lauter Bars und Shops. Relativ schnell werden wir von Einheimischen abgefangen und auf unsere Frage nach einer Übernachtungsmöglichkeit sofort von der Straße weggezerrt. Man bringt uns in einen Hinterhof und zeigt uns eine einfache Lodge. Die Besitzerin ist erstaunt, uns hier zu sehen und erklärt uns alles über dieses Dorf: hier befindet sich eine Goldmine und die Arbeiter kommen von überall her, um hier ihr Glück zu finden. Nach dem harten Arbeitstag landen alle Goldgräber dann hier in den Bars, um hier trinkend den langen, dunklen Abend zu verbringen. Wir werden aufgefordert, nach Einbruch der Dunkelheit das Zimmer nicht mehr zu verlassen und von innen abzusperren, da es hier gefährlich sein könnte.

Den Rest des Nachmittags verbringen wir damit, unsere erschöpften Trinkwasservorräte wieder aufzufüllen – das heißt im Klartext: Pumpen und Filtern bis zum Abwinken.

Als es gegen 18.00 Uhr schon dunkel wird, ziehen wir uns auf Anraten der Lodgebesitzerin in unser Zimmer zurück. Sie kommt noch einmal zu uns an die Tür und sagt, wir sollen niemand die Tür aufmachen und zur Not nach ihrem Bruder rufen, der im Vorhof „Wache hält“.

Draußen in den Bars fangen nun die Minenarbeiter an, ihren Feierabend zu begießen und aus allen Ecken dröhnt laute Musik. Da es noch viel zu früh zum schlafen ist, packen wir unser Reisespiel „Carcassonne“ aus, das uns schon in Tibet die Abende im Zelt verkürzt hat. Doch schon gegen 21.00 Uhr sind wir so müde, dass wir ohne Probleme einschlafen.

 

Freitag, 15. Juli´05

Gokwe

Nach einer relativ unruhigen Nacht stehen wir um 7.00 Uhr auf, da wir mal wieder einen langen Tag vor uns haben. Sowie wir am Packen sind, klopft es an die Tür und die Lodgebesitzerin fragt, ob wir etwas brauchen würden. Wieder sind wir beeindruckt, wie besorgt und gastfreundschaftlich die Leute hier doch sind. Wir versichern, dass alles in Ordnung ist und packen die Räder. Mein Knie hat die Anstrengungen der vergangenen zwei Tage nicht so gut verkraftet und beschwert sich heftig, so dass die ersten Kilometer nicht so gut laufen. Nach etwa 25 Kilometern haben wie die kleine Nebenstraße dann hinter uns gelassen und treffen die breite Hauptstraße nach Gokwe. Hier sehen wir nun wieder ab und zu ein Auto – nicht so tragisch, denn die Straße ist ja breit genug zum Überholen. Auch heute sehen wir wieder viele Affen auf der Straße, doch die kleinen Meerkatzen sind so scheu, dass sie panisch vor uns flüchten. Die freilaufenden Rinder sind da leider etwas gemütlicher. Jedes mal, wenn wir gerade mit ordentlichem Tempo eine Abfahrt haben, trottet uns so ein Viech in den Weg und wir müssen stark abbremsen, um einer Kollision zu entgehen.

Auch heute fühlen wir uns wieder wie bei der Tour de France: jedes Mal, wenn wir an einem Dorf oder einer Schule vorbeirollen, grölen und winken uns die Kinder zu, und auch die Erwachsenen grüßen uns immer laut: Makadinii – wie geht´s?

Als wir die Hälfte der Strecke hinter uns gebracht haben, machen wir eine größere Pause. Wir haben heute noch drei knackige Anstiege auf das Mafungabusi-Plateau zu bewältigen, die es bei strahlend blauem Himmel wirklich in sich haben. Nach jedem Anstieg bin ich triefend nass geschwitzt und ziemlich sicher, die heutige geplante Etappe bis nach Gokwe nicht zu schaffen. Die einzelnen Kilometer werden immer länger und auch das Rad wird immer schwerer. Motivationsschübe bringen nur die Dörfer mit den Menschenansammlungen an den Bushaltestellen, und bei dem lauten Gejohle werden wir immer wieder etwas schneller und kraftvoller – wenn auch nur bis zur nächsten Kurve.

Die Tankstelle von Gokwe sehen wir schon aus weiter Entfernung: nur unschwer zu verfehlen durch die lange Autoschlange, die sich dort schon vor Tagen gebildet hat und geduldig auf Benzin wartet. Die erste Lodge, die wir am Straßenrand sehen, sieht sehr nobel aus und als wir nach dem Preis fragen, fahren wir auch schnell wieder weiter.

Nachdem wir uns noch ein gutes Stück vorwärts gekämpft haben, sehen wir am Straßenrand die „Good Hope Lodge“ die vom Namen und vom Aussehen einen guten Eindruck macht. Wir sehen uns das Zimmer an und sind sofort einverstanden, denn hier haben wir endlich die Gelegenheit zum Duschen. Obwohl wir beide sehr müde sind, muss auch heute neues Wasser gefiltert und Essen gekocht werden. Selbst das Essen an sich empfinde ich unheimlich anstrengend.

 

Samstag, 16. Juli`05

Siabuwa

Der heutige Tag bringt uns von der „guten Hoffnung“ durch die absolute Hölle ins Paradies – doch glücklicherweise wissen wir das erst am Abend.

Nach einem schnellen Frühstück brechen wir zeitig auf, da wir wissen, dass die heutige Tagesetappe es in sich haben wird. Die ersten Kilometer verlaufen sehr zügig, da es ständig leicht bergab geht. Auch heute brennt die Sonne schon sehr früh am Morgen und es wird schnell heiß. Die Leute grüßen freundlich und fragen, wo wir hin wollen. Jedes mal, wenn wir Siabuwa als Ziel nennen, werden wir ungläubig angeguckt und die Leute lächeln kommentarlos – das hört sich für eine Tagesetappe wohl sehr unglaubwürdig an!

Nachdem die ersten 60 Kilometer dann ohne Zwischenfälle abgespult sind, bietet sich uns die erste Mitfahrgelegenheit auf der glatten Ladefläche eines Sattelschleppers an Unsere Mitfahrer sind verwundert über unser Vorhaben und geben uns gute Ratschläge, wie man sich bei Tieren zu verhalten hat. Wir werden gewarnt, dass wir uns nun in „Elefantenland“ begeben und dass diese Tiere hier nicht sehr freundlich zu den Menschen sind.

Nach gut 20 Kilometern trennen sich unsere Wege wieder, denn der LKW biegt in eine Seitenstraße ein und wir müssen auf dem Hauptweg weiterradeln. So langsam ändert sich die Landschaft und wir fahren in den afrikanischen Busch. Die nächsten 40 Kilometer werden zwar relativ flach, doch so langsam schwinden die Kräfte mal wieder. Wir kämpfen uns noch bis zur Straßenkreuzung von Zomba durch, dann sind die Akkus leer. Eins ist klar: entweder ist hier Endstation oder wir müssen versuchen, motorisiert weiterzukommen. Während wir hier stehen und auf eine Mitfahrgelegenheit warten, kommen wir wieder ins Gespräch mit den Einheimischen. Hier herrscht reges Treiben. An dieser Kreuzung hat sich eine kleine Siedlung gebildet. Es gibt einen Laden, einige Bars und Hütten von Leuten, die hier leben. Nur wenige Autos kommen überhaupt hier an und von den Leuten, die ebenfalls hier auf eine Mitfahrgelegenheit warten, erfahren wir, dass einige schon seit ein paar Tagen hier stehen – wie aufbauend!

Wir warten über drei Stunden, dann kommt ein Pritschenwagen durch den Staub angerollt - sehnlichst von der Menge erwartet. Die Ladefläche ist schon halb mit Lasten vollgeladen und es sieht im ersten Moment nicht so aus, als wenn wir noch Platz finden würden. Unsere neuen Freunde setzen sich sehr für uns ein und wir sind sehr überrascht, als wir mit den beladenen Rädern noch Platz zwischen Menschen und Gepäck finden. Unser Fahrer vergewissert sich nochmals, ob wir wirklich nach Siabuwa wollen, obwohl wir durch die dunkle Nacht fahren würden – etwas irritiert bejahen wir.

Auf der überfüllten Ladefläche ist die Stimmung sehr gut und das abwechslungsreiche Gespräch in den nächsten Stunden ist wichtig, sonst wäre die unruhige Fahrt auf dem Rand des Wagens zur unerträglichen Tortur geworden. Während wir anrollen, geht langsam die Sonne unter und wir fahren in die Dunkelheit. Bei jedem Busch müssen wir die Beine anziehen, um nicht zerkratzt zu werden. Nach einiger Zeit verschwindet die Asphaltdecke, und es geht über eine schlechte Schotterstraße weiter. Die Erschütterungen sind eine Herausforderung. Meine Angst vor den Elefanten hält sich in Grenzen, ich bin eher besorgt, von der Pritsche geschleudert zu werden. Hier sind blaue Flecken vorprogrammiert. Nun sind wir also auf der berühmten Binga-Road, vor der unser Reiseführer so gewarnt hat.

Irgendwann viel später – wir haben schon lange den unendlich weiten Sternenhimmel Afrikas über uns – kommt uns durch die Nacht ein Auto entgegen: Polizei!

Die Beamten halten unseren LKW an, da wir so spät unterwegs sind, und sind völlig entsetzt, zwei weiße Touristen auf der Ladefläche zwischen den Einheimischen zu finden. Erst gibt es wilde Diskussionen mit dem Fahrer, dann werden wir ungläubig gefragt, was wir überhaupt hier oben wollen, noch dazu um diese Uhrzeit. Wir erfahren, dass wir die ersten Touristen in dieser Gegend sind und dass es hier außer Hütten und wilden Tieren nichts gibt. Als wir als endgültiges Reiseziel die Viktoriafälle nennen, hält uns der Beamte für völlig wahnsinnig und zieht es vor, sich wieder mit unserem Fahrer zu unterhalten, der dann doch vernünftiger scheint. Er legte diesem nahe, uns in Siabuwa ohne Umwege direkt bei Vicky Graham abzugeben – ein Name, der uns noch nichts sagt.

Die Fahrt geht noch eine zeitlang weiter durch die dunkle Steppe, dann halten wir vor ein paar unbeleuchteten Hütten an. Hier ist also für uns Endstation. Wir laden die Räder ab und einige Minuten später sind wir mit Eskorte in der dunklen Nacht unterwegs. Nachdem wir ein Stück durch die Büsche gelaufen sind, kommen wir an einen Häuserkomplex mit elektrischem Licht. In einer offenen Hütte sehen wir eine kleine Gruppe Weiße sitzen. Die Leute starren uns ungläubig an, als wir plötzlich schmutzig und verstaubt aus der Dunkelheit auftauchen. Unsere Begleitung gibt ein paar erklärende Worte in Tonga-Sprache ab. Plötzlich regt sich alles, uns wird Platz angeboten, eine heiße Tasse Tee in die Hand gedrückt und wir werden mit unendlich vielen Fragen auf Englisch bombardiert. Als wir unsere Reise bis zum jetzigen Zeitpunkt beschrieben haben, gibt Vicky jedem von uns eine Riesenschüssel mit heißem Essen in die Hand. Während wir essen, werden wir aufgeklärt:

Vicky Graham unterhält hier im Dorf eine evangelische Mission und die anderen Leute gehören zu einer Gruppe aus Südafrika, deren Organisation diese Mission finanziell unterstützt. Wir erfahren, dass außer dieser Hilfsorganisation noch kaum ein Weißer in diese Region gekommen ist, deshalb werden wir unterwegs so angestarrt. Unsere Landkarte ist nicht so gut – die gewählte Straße gibt es seit zwanzig Jahren nicht mehr! Während wir unser Zelt im Hof der Mission aufbauen, machen die Anderen uns Wasser für eine heiße Dusche warm. Die Dusche besteht aus einem Eimer mit einem Duschkopf unten dran, der hochgezogen wird. Es ist ein unbeschreibliches Erlebnis, nach diesem chaotischen Tag unter tausend Sternen heiß zu duschen. Als ich fertig bin, fühle ich mich wie neu geboren – so schmutzig wie heute war ich schon lange nicht mehr. Es ist schon spät, als wir endlich in unsere Schlafsäcke kriechen, zum umfallen müde. Peter schläft sofort ein, doch für mich folgt eine unvergessliche Nacht. Hier draußen im Busch schläft die Tierwelt noch lange nicht, und als die erste Hyäne in unmittelbarer Nähe unseres Zeltes lacht, sitze ich mit meinem Taschenmesser im Zelt – weit vom Schlaf entfernt. Ständig höre ich etwas anderes, Getrappel ums Zelt, Scheppern vor der Kochhütte, Vögel, Grillen und viele undefinierbare Geräusche.

 

Sonntag, 17. Juli`05

Binga

Als ich heute morgen wach werde, liege ich in meinem Schlafsack und halte mein Messer noch immer fest in der Hand. Unser Wecker ist ein Hahn, der offensichtlich direkt neben unserem Zelt steht und mit etwa 30 anderen Hähnen in der näheren Umgebung den neuen Tag begrüßt. Es dauert nicht lange und die Sonne geht auf – endlich können wir mal sehen, wo wir gestern Abend eigentlich gelandet sind. Unser Zelt steht zwischen ein paar einfachen Steinhäusern, um uns herum ist Busch. In einiger Entfernung sind einfache Lehmhütten zwischen den niedrigen Büschen, überall laufen Perlhühner umher.

Als die anderen Bewohner der Mission wach werden, wird ein großes Frühstück zubereitet, zu dem auch wir herzlich eingeladen sind. Zum ersten Mal bekommen wir die landestypische Speise Sadza zu essen. Dieser aus Maismehl zubereitete Brei schmeckt gar nicht mal so übel, wenn man Honig oder Zucker beimischt. Während wir frühstücken, erzählt uns Vicky, dass sie aus Zimbabwe stammt und von Beruf Krankenschwester ist. Sie betreut die umliegenden Dörfer medizinisch und leitet nebenbei auch die örtliche Kirche. Sie lebt nun schon seit Jahren alleine hier draußen und fährt durch die Dörfer, um dort nach dem Rechten zu sehen.

Als wir nach dem Frühstück aufbrechen wollen, werden wir wieder mit guten Ratschlägen überhäuft, was die Weiterreise betrifft. So sollen wir auf gar keinen Fall außerhalb der Ortschaften im Dunkeln unterwegs sein, da Elefanten und Büffel hier eine große Gefahr darstellen. Wenn wir einem solchen Tier im Hellen begegnen, sollen wir uns auf den Boden kauern und warten, bis das Tier von alleine weggeht. Uns falls wir es aus irgendeinem Grund nicht schaffen sollten, bis nach Binga zu kommen, sollen wir um Erlaubnis fragen, im einem Tonga-Dorf übernachten zu dürfen.

Wir bedanken uns ganz herzlich für die spontane Hilfe, die sie uns am Vortag noch zu so später Stunde geboten haben. Als wir für Kost und Logie zahlen wollen, lehnt Vicky alles Geld ab. Einer ihrer Besucher wechselt uns sogar noch US-Dollar in Zim-Dollar, zu einem sehr guten Kurs. So mit Bargeld bestückt würden wir ohne Probleme bis zu den Vic Falls durchdringen können.

Mit den ganzen guten Ratschlägen und 8 Litern Trinkwasser machen wir uns auf den Weg, nachdem wir uns herzlich verabschiedet haben. Die Kilometer laufen heute nicht mehr so gut, da wir uns auf einer furchtbar schlechten Straße befinden. Oft ist die Schotterpiste so mies, dass wir auf flacher Strecke absteigen und das Rad schieben müssen. Unterwegs kommen wir oft mit Einheimischen ins Gespräch, die sich wundern, dass wir in dieser abgelegenen Gegend unterwegs sind – noch dazu mit den Rädern.

Nach fast fünf Stunden Fahrt haben wir gerade mal 30 Kilometer hinter uns gebracht – durchgeschüttelt bis zum kleinsten Knochen. Der Ort Mucheni, der uns von Vicky empfohlen wurde, liegt direkt vor uns. Vicky hat uns geraten, den Dorfchief zu treffen, der ein guter Freund von ihr ist. Sie sagt, wir sollen hier die Nacht verbringen, falls wir keine Transportmöglichkeit nach Binga finden würden. Der Chief ist sehr freundlich zu uns und zeigt uns sofort seinen Kraal: eine Ansammlung umzäumter Hütten, wo Menschen und Haustiere relativ sicher vor den wilden Tieren leben. Wir werden zum Dorfplatz geführt, dort bekommen wir Platz angeboten. Wir erfahren vom Chief, dass der Zaum um das Dorf absolut wichtig ist. Er erzählt uns, dass in regelmäßigen Abständen Elefantenherden auftauchen, um die Lebensmittelvorräte des Dorfes zu plündern. Besonders auffallend sind die Kinder, die eigentlich nur Kleiderfetzen tragen. Sie sind sehr scheu und betrachten uns nur aus der Ferne. Peter darf Fotos von ihnen machen, als Dank wechselt Kleidung den Besitzer.

Nachdem wir über eine Stunde auf dem Dorfplatz gesessen haben, hören wir aus der Ferne ein Auto kommen. Da auch der Chief heute nach Binga will, rennen wir alle Drei runter auf die Straße. Aus der Ferne sehen wir eine riesige Staubwolke auf uns zu rasen, der Pick-up wird bei uns langsamer und hält tatsächlich an. Der Fahrer ist eine Weißer – ein Missionar aus Polen – und fährt zufällig den ganzen Weg bis nach Binga. Menschen und Gepäck werden auf die Ladefläche befördert, dann geht die Reise los: 60 Kilometer durch das Elefantenland. Unser Missionar hat es sehr eilig und auf der Ladefläche kommen wir uns vor wie auf einer Rüttelplatte. Die Erschütterungen sind so heftig, dass mir irgendwann sogar die Nieren weh tun. Ich kann nicht mehr sitzen sondern hocke mich auf die Füße, um die Schläge abzufangen.

Als wir die Grenze des Nationalparks erreichen, gibt es keine Dörfer mehr und wir fahren durch den Busch. Es dauert unendlich lange, bis wir auf der asphaltierten Straße ankommen. Von hier aus geht es nun wesentlich angenehmer weiter.

Wir sind von der Sonne geröstet, als wir endlich in Binga ankommen. Als wir unseren Fahrer bezahlen wollen, winkt der entrüstet ab, er ist sogar so freundlich, uns einen Schlafplatz in der Mission anzubieten, falls wir nicht wüssten, wohin. Wir haben uns jedoch schon eine Lodge im Dorf ausgesucht, die im Lonely Planet angepriesen wird.

Dankend verabschieden wir uns und fahren mit den Rädern den steilen Berg hinab ins Dorf. Hier haben wir uns das Binga Rest Camp ausgesucht, da man dort laut LP auch campen kann. Als wir an der Rezeption unser Begehren vortragen, werden wir von dem Lodgebesitzer angestarrt. Wir sind die ersten Touristen, die sich seit drei Jahren überhaupt nach Binga verlaufen haben und der Campingplatz der Lodge ist völlig verwildert. Statt dessen wird uns ein hübsches Zimmer für umgerechnet 8 US-Dollar angeboten, da können wir nicht widerstehen. Die Lodge ist sehr schön mit einem riesigen Garten, alles grün und zwischen den Pflanzen sind überall Pools von den heißen Schwefelquellen. Das Wasser ist teilweise so heiß, dass selbst ich in den oberen Pools nicht baden kann, obwohl gerade die mit dem dampfenden Wasser so einladend aussehen.

Nachdem wir uns endlich mal was zu essen gekocht haben, waschen wir unsere Kleider, die es mittlerweile dringend nötig haben. Kurz bevor die Sonne untergeht, gehen wir runter zum Ufer des Kariba-See.

Überall sind Schilder, die vor Krokodilen und Hippos warnen. Die Luft ist so klar, dass wir Sambia am anderen Ufer erkennen können. Als es dann dunkel ist, gehen wir rüber in die Bar der Lodge und trinken das erste Bier seit Harare. Als wir später zurück in unserem Zimmer sind, filtern wir noch 8 Liter Trinkwasser für unseren morgigen Tagesbedarf. Ich liege kaum flach im Bett, da bin ich auch schon eingeschlafen, während Peter fleißig Moskitos jagt.

 

Montag, 18. Juli`05

Hwange

Heute morgen stehen wir früh auf, da wir uns den Sonnenaufgang am See ansehen wollen. Anschließend geht Peter in den heißen Quellen baden, während ich das Wasser fürs Frühstück koche. Nach dem Essen ist Radwartung angesagt. Ich muss alle Schrauben an meinem Rad wieder fest anziehen, denn gestern auf der Schotterpiste hat sich mein Vorderrad komplett aus der Gabel gelöst und auch beim Gepäckträger fehlen einige Schrauben. Gegen 8.00 Uhr haben wir alles soweit erledigt. Wir stellen die gepackten Räder an der Rezeption ab und gehen zu Fuß rüber zur Krokodilfarm.

Es ist sehr interessant, diese unheimlichen Tiere so ganz aus der Nähe zu betrachten. Nahezu unbeweglich liegen die da in der Sonne, kein Augenzwinkern, keine Atembewegung. Unser Führer erklärt uns alles ganz genau, schließlich sind wir die ersten Touristen, die hier seit fünf Jahren vorbeikommen.

Wieder zurück an unseren Räder essen wir eine Papaya, dann geht es los. Da die Mitfahrgelegenheiten von Binga aus äußerst knapp sind, müssen für die ersten Kilometer wieder Muskelkraft statt PS herhalten. Und das nicht zu knapp, denn von der Lodge aus haben wir erst mal den zwei Kilometer langen, heftigen Berg zu bewältigen, den wir gestern so voll Freude hinunter gebraust sind.

Auch hier kommen wir wieder an den Kraals der Tonga vorbei – wir fahren durch eine ganz ärmliche Gegend mit einfachsten Lehmhütten. Nach 25 Kilometer schweißtreibender Berg- und Talfahrt kommen wir an der Siabuwa-Abfahrt vorbei. Hier machen wir Rast und es dauert nicht lange, da hält ein leerer Kohle-LKW, der auf dem Weg nach Hwange ist. Der Fahrer nennt uns als Mitfahrpreis bis Kamativi 180.000 Zim-Dollar, wir handeln den Fahrpreis auf 150.000 $ runter und hieven dann unsere Räder auf die fast leere Ladefläche. Rasant geht die Fahrt durch die westlichen Hügel von Zimbabwe. Es dauerte nicht lange und wir sind schwarz vom umherfliegenden Kohlestaub und den Dieselabgasen des Auspuffs. Auch hier gilt: gut festhalten, oder es gibt einen Freiflug. Nicht auszudenken, was hier oben bei einer Vollbremsung passieren würde...

Als wir uns Kamativi nähern und sehen, wie bergig die Gegend hier doch ist, entschließen wir uns auf Anraten der anderen Leute auf der Ladefläche, die ganze Strecke bis Hwange mit dem LKW zu fahren. Die Strecke zieht sich, nach Stunden habe ich kein Auge mehr für die Landschaft, sondern klammere mich nur mit geschlossenen Augen an die Metallstange und hoffe, doch bald am Ziel zu sein; müde von Erschütterungen, Wind und Staub. Viel später dann kommen wir platt und schmutzig am Rand der Stadt Hwange an. Der Fahrer hilft uns, die schweren Räder von der hohen Ladefläche abzuladen und verlangt nur noch 120.000 Zim-$ für die komplette Strecke von 200 Kilometern – wir sehen wohl ziemlich mitgenommen aus!

Nach einem herzlichen Abschied müssen wir notgedrungen noch einmal auf unsere Räder steigen, denn wir wissen ja noch gar nicht, wo wir eigentlich schlafen sollen. In der Stadt fragen wir nach Übernachtungsmöglichkeiten und werden immer weiter geschickt, bis wir von jemand zum Polizeihauptquartier gebracht werden. Dort bezahlen wir 180.000 Zim-$ für eine Übernachtung in deren Wohnheim. Das Haus hat vier Doppelzimmer, ein gemeinsames Bad und eine Küche. Als wir einziehen, ist jedes Zimmer belegt und es herrscht reges Treiben. Wir können unser Essen in der Küche auf dem Elektroherd zubereiten und auch kalt duschen – heute ist es extrem nötig, denn wir sind schwarz wie Grubenarbeiter. Kein Wunder, dass uns alle so verwundert angeguckt haben, sehen wir doch schlimmer aus als Landstreicher.

Der Rest des Abends klingt ruhig aus, denn wir haben wieder einiges an Wasser zu filtern, und müde sind wir auch, obwohl wir heute keine Unmengen an Radkilometern geleistet haben.

Wenn alles so verlaufen wird, wie es geplant ist, werden wir morgen um diese Zeit schon in Victoria Falls auf dem Campingplatz sein. Obwohl in unserer Unterkunft noch ziemlich Treiben herrscht und die Matratze zu weich ist, versinke ich sofort in Schlaf.

 

Dienstag, 19. Juli`05

Victoria Falls

Mittlerweile sitzen wir am Lagerfeuer am Sambezi und haben den Magen voll, jeder eine Flasche Bier in der Hand, doch der Luxus ist hart erkämpft. Fangen wir vorne an:

Heute morgen um 6.30 Uhr klingelt unser Wecker im Polizeiwohnheim in Hwange, denn wir müssen sehr früh aufstehen, um unser Ziel im Hellen zu erreichen. Während wir unsere Sachen packen, machen sich auch unsere Mitbewohner auf den Weg zur Arbeit. Ich bin die einzigste Frau in der Wohngemeinschaft – Rücksicht aufs andere Geschlecht gibt es hier nicht. Waschen und Anziehen ist eher kompliziert!

Relativ gut ausgeruht rollen wir los. Um die endlos weite Strecke möglichst gut zu unterteilen, machen wir viele Foto-, Ess- und Trinkpausen. Heute fahren wir eine große Strecke entlang am Hwange-Nationalpark, einer der Parks mit der größten Tiervielfalt in dieser Region. Neben etlichen Pavianen sehen wir auch ab und zu Kudus und Impalas den Weg kreuzen. Einmal, als ich gerade im Berg eine Trinkpause machen will, um meinem Knie eine Auszeit zu gönnen, hören wir in den Büschen die Hyänen lachen. Natürlich will ich dann doch nicht stehen bleiben, sondern ziehe es vor, zügig den ganzen Berg hinauf zu radeln und die Pause dann an einem sicheren Ort zu machen.

Obwohl wir die ganze Zeit entlang der Hauptstraße fahren, ist hier kaum Verkehr unterwegs. Unsere Mittagspause verbringen wir an einer Raststelle am Straßenrand, diesmal in Gesellschaft von zwei Jungen aus einem naheliegenden Dorf. Die Beiden sehen uns ganz erstaunt an, als wir ihnen von unseren Keksen anbieten, lehnen aber auch nicht ab.

Frisch gestärkt machen wir uns an die zweite Hälfte der Strecke, doch die Kilometer laufen nicht mehr so gut wie am Anfang. Es ist 16.00 Uhr, als wir Vic Falls endlich erreichen. Bevor wir ins Dorf kommen, müssen wir noch mal ordentlich hoch fahren, obwohl ich gar keine Lust mehr dazu habe.

Als wir in den Ort einrollen, sehen wir auch schon die ersten Touristen – für uns ein ganz neues Bild. Das ganze Dorf ist gut beschildert und wir haben schnell den Campingplatz gefunden, den wir uns im LP ausgesucht haben. Hier können wir das erste Mal in Zimbabwe mit Kreditkarte bezahlen, ein Zeichen dafür, dass wir wieder in unserer Zivilisation unterwegs sind. Überhaupt ist ganz Vic Falls sehr rege und voll mit Leben.

Wir werden ungläubig angestarrt, als wir auf dem Campingplatz einrollen, aber das sind wir ja schon gewöhnt. Die Leute finden es einfach ungeheuerlich, dass man in diesem Land mit dem Rad unterwegs sein kann. Auf der Campingwiese suchen wir uns einen schönen Platz mit Sitzbank und Feuerstelle aus.

Peter geht ins Dorf einkaufen, während ich das Zelt aufbaue. Nach dem Abendessen sitzen wir noch eine zeitlang am Feuer, doch durch die lange Radetappe sind wir so müde, dass wir uns relativ früh zum schlafen ins Zelt legen. Diesmal habe ich Probleme mit dem Einschlafen, denn das Rauschen der Fälle ist ungewohnt und störend.

 

Mittwoch, 20. Juli`05

Vic Falls

Als wir heute morgen wach werden, geht gerade die Sonne auf und es ist unheimlich kalt. Wir frühstücken ausgiebig mit den Resten, die wir noch haben und gönnen uns sogar eine zweite Tasse Kaffee. Anschließend gehen wir auf Erkundungstour. Der Ort ist eigentlich gar nicht so groß, doch es gibt für die wenigen Touristen unendlich viel Möglichkeiten, das Geld schnell loszuwerden. Wir schlendern über die Straße und werden ständig von fliegenden Händlern angehauen, die uns alles mögliche verkaufen wollen.

Da wir ja sowieso Mitbringsel für die Daheimgebliebenen finden wollen, bummeln wir durch die ganzen Läden und über den offenen Markt. Hier herrscht eine besondere Atmosphäre, denn hier kann man alles eintauschen. Im Moment gibt es wegen der politisch kritischen Situation selbst hier in Vic Falls nicht sehr viele Touristen, deswegen werden wir von den Händlern förmlich überrannt.

Wir gehen zum Vic Falls Hotel, da man von hier aus eine schöne Sicht auf den Zambezi und auf die Grenzbrücke zu Zambia hat. Im ersten Moment kommen wir uns etwas deplaziert vor, da unsere Kleidung nicht unbedingt zum Stil des Hotels passt. Doch wider Erwarten können wir ohne Probleme durch das Hauptgebäude in die Parkanlagen spazieren – niemand hält uns an oder spricht uns auf unsere Kleidung an.

Später gehen wir zurück zum Campingplatz, um Abendessen zu kochen. Doch bevor es soweit ist, schauen wir noch in den Lebensmittelladen des Dorfes, und diesmal gibt es sogar Brot zu kaufen, ohne ewig in der Schlange zu warten. Wieder zurück auf dem Campingplatz machen wir Feuer und kochen unser luxuriöses Mahl. Der Abend endet unheimlich gemütlich mit Zambezibier und unserer neuen Trommel am Feuer. Auch sonst wo sind Trommeln zu hören, und über uns leuchten die unzähligen Sterne Afrikas und der Vollmond an einem endlos weiten Himmel.

 

Donnerstag, 21. Juli`05

Vic Falls

Es ist 6.00 Uhr, als die Sonne über dem Zambezi aufgeht und wir wach werden. Wir bleiben noch eine zeitlang in unseren Schlafsäcken liegen, da es draußen noch so kalt ist. Irgendwann stehen wir dann doch auf, denn wir wollen ja etwas sehen. Zum Frühstück gibt es Brot mit Kapstachelbeer-Marmelade – von Peter im Supermarkt aufgestöbert. Als wir alles gegessen haben, verstauen wir die Fotoausrüstung wasserdicht und machen uns auf den Weg zu den Victoriafällen. Das Eintrittsgeld von 20 US-Dollar pro Person ist für afrikanische Verhältnisse sehr hoch, doch absolut lohnend. Wir sind sehr früh an und es ist nicht sehr viel Betrieb. Was wir hier sehen, lässt sich nur schwer mit Worten beschreiben. Es ist unglaublich beeindruckend, diese Wassermassen hundert Meter in die Tiefe stürzen zu sehen. Die Gischt schäumt weit über unsere Köpfe hinweg in den Himmel und überall zwischen den Pflanzen sieht man Regenbögen.

Von den verschiedenen Aussichtspunkten sehen wir uns die Fälle an – völlig faszinierend! Nirgends ist die Sicht durch störende Zäune verunziert, wenn man unbedingt will, kann man bis ganz nach vorne an den Rand der Schlucht gehen. Hier muss man sehr aufpassen, denn durch die Gischt sind die Felsen nass und glitschig, und auch selber wird man ordentlich geduscht.

Unser nächstes Ziel ist der große Baobab-Baum am Ufer des Zambezi in der Nähe des Dorfes. Als wir gerade von der Hauptstraße zum Flussufer gehen wollen, kommt uns ein weißer Mann nachgelaufen und will wissen, ob er uns begleiten darf. Er ist ein Tourist aus Australien und hat gehört, dass der Weg zum Baum nicht so ganz ungefährlich sei, deswegen will er nicht alleine gehen. Also wandern wir zu dritt am Ufer des Zambezi entlang – auf der Suche nach wilden Tieren, doch wir sehen weder Hippos, noch Krokodile und glücklicherweise auch keine Räuber!

Kurz bevor wir am großen Baum ankommen, sehen wir aus weiter Entfernung ein Warzenschwein über den Weg huschen. Hier am Baum treffen wir auch andere Touristen, die sich aus Angst vor Überfällen mit dem Taxi haben herbringen lassen. Wir machen ein paar Fotos, dann gehen wir den selben Weg wieder zurück zur Hauptstraße. Einmal sehen wir aus weiter Entfernung Antilopen im hohen Gras, und ein paar Schritte weiter sehen wir ein Warzenschwein ganz dicht vor uns im Busch. Peter geht etwas näher, um Fotos mit dem Tele zu machen. Als es nebenan im Gestrüpp knackt, rechnen wir mit einem zweiten Warzenschwein und erschrecken fürchterlich, als wir vor uns – noch keine fünf Meter von Peter entfernt – einen riesigen Büffel im hohen Gras stehen sehen.

Peter bleibt einfach regungslos da stehen, wo er ist, ich kauere mich neben dem Weg auf den Boden und der Australier kriecht zum Zaun des Nationalparks, um da hochzuklettern, falls es kritisch wird. Der Büffel rührt sich nicht und Peter kriecht langsam rückwärts zu uns zurück. Gemeinsam schleichen wir davon, erleichtert, das die Aktion so gut ausgegangen ist. Von wegen, der Weg ist gefährlich wegen Räubern!

Als wir wieder an der Hauptstraße angekommen sind, verabschiedet sich der Australier von uns, sagt, er hätte nun genug Abenteuer gehabt und will sich nun in die Hotelbar zurückziehen. Wir jedoch wollen den Rest des Tages noch nutzen und gehen weiter auf Erkundungstour.

Auf der anderen Seite der Straße führt noch ein Trampelpfad durch die Büsche, und neugierig, wie wir sind, müssen wir natürlich auch dort nachsehen, wo man da hinkommt. Nach etwa einem Kilometer endet der Pfad an einer steilen Metalleiter, die nach unten führt. Wir klettern da runter und treffen unterwegs einen Einheimischen, der uns erzählt, dass man von dort unten eine Klasse Sicht auf die Fälle hat. In seiner Begleitung steigen wir gemeinsam weiter ab und kommen irgendwann unter die Brücke, von der sich die Bungee-Springer stürzen. Über ein schmales Band am Fuß der Felsen geht es um die Kurve, dann stehen wir im Amphitheater vor den Hauptfällen, die vor uns als beeindruckende Wasserwand in die Tiefe stürzen. Hier bleiben wir eine zeitlang und genießen ganz alleine die Schönheit dieses Fleckchens, das noch so unentdeckt vom Tourismus ist. Der Aufstieg aus der Schlucht ist lang und mühsam, denn an Wasser haben wir natürlich nicht gedacht.

Ziemlich beeindruckt und in Gedanken versunken gehen wir zurück zum Campingplatz, und jetzt stellen wir fest, dass wir hungrig sind, denn seit dem Frühstück hat es nichts mehr gegeben.

Es gibt jetzt Couscous in Mengen und anschließend sitzen wir mal wieder mit Zambezi-Bier am Lagerfeuer und unterhalten und über diesen furchtbar ereignisreichen Tag. Heute abend brennt unser Feuer nicht sehr lange, schon um 21.00 Uhr liegen wir in unseren Schlafsäcken, vom Vollmond beleuchtet und von unserer Umgebung in den Schlaf getrommelt.

 

Freitag, 22. Juli`05

Vic Falls / Dete

Heute morgen stehen wir früh auf, da wir von Vic Falls aus weiter reisen wollen. Während wir frühstücken, bevölkern Affen den Campingplatz. Mit den Rädern fahren wir hinunter zum Bahnhof, die müssen dort separat als Gepäckstücke abgewogen werden. Wir selbst buchen ein Schlafcoupe Erster Klasse, da die billigen Wagons nachts geschlechtergetrennt sind – das sagt uns nicht so zu.

Nachdem wir die bepackten Räder auf dem Bahnhof gelassen haben (es wird uns gesagt, dies sei absolut sicher und unbedenklich), spazieren wir mit unserem „Handgepäck“ wieder durchs Dorf, sehen uns die Läden an und kaufen hier und da was für Zuhause.

Irgendwie müssen wir uns nun die Zeit totschlagen, denn unser Zug geht erst abends um 19.00 Uhr. Nachdem wir die erste Einkaufsrunde beendet haben, setzen wir uns ins „River Cafe“ und genießen ein zweites Frühstück. Hier im Schatten sitzt man sehr gut und wir haben eine gute Sicht auf die Hauptstraße – jedoch ungestört von den ganzen Händlern und Bettlern, die einem hier in Vic Falls schon auf den Geist gehen können. Später bummeln wir wieder durch die Straßen, den Rest des Nachmittags setzen wir uns in den geschützten und schattigen Garten der „Mama Africa“-Bar. Als es dunkel wird, gehen wir rüber zum Bahnhof. Ganz einsam stehen dort unsere Räder am Bahnsteig, nichts fehlt. Mal wieder sind wir tief beeindruckt von der Aufrichtigkeit der Menschen hier, die doch nur so wenig haben und trotzdem nicht in Versuchung kommen, sich zu bereichern.

Es dauert über eine Stunde, bis unser Zug endlich kommt. Gegen 19.00 Uhr läuft er dann ein, die Räder werden im Gepäckwagen verstaut und wir beziehen ein sehr nostalgisches Erste-Klasse-Schlafabteil. Die winzige Kabine ist wie ein Miniaturhotelzimmer ausgestattet! Zwei Klappbetten an der Wand, ein Klappwaschbecken mit fließendem Wasser und überall Spiegel, die den Raum optisch vergrößern. Die Tür kann man doppelt absperren, damit man auch beruhigt schlafen kann.

Als der Zug ins Rollen kommt, essen wir zu Abend. Unser luxuriöses Dinner besteht aus einem kompletten Brot mit Erdnussbutter und Erdbeermarmelade. Nach dem Essen legen wir uns hin und versuchen ein wenig zu schlafen – immerhin sind wir bis Dete ganze fünf Stunden unterwegs. Das unglaubliche Geschaukel und die Angst, Dete verschlafen zu können, hält mich wach. Meine Gedanken kreisen um alles, was wir bisher erlebt haben, doch auch Zweifel, was wir noch alles erleben könnten, rauben mir die letzte Müdigkeit. Als wir kurz vor Dete sind, klopft jemand an unsere Tür, um uns Bescheid zu sagen.

Als wir am Bahnhof aussteigen, ist es 0.30 Uhr und wir haben keine Ahnung, wie es nun weitergehen soll. In der Nacht zu radeln, ist wegen der Tiere unmöglich und Übernachtungsmöglichkeiten gibt es in der Nähe des Bahnhofs offensichtlich keine. Ein Beamter hilft uns weiter und sagt, wir könnten mit unseren Rädern in der Aufenthaltshalle des Bahnhofs übernachten – zusammen mit anderen Reisenden. Wir sind zwar nur zu sechst, trotzdem ist es relativ laut in dem kleinen Raum. Ich bin so müde, dass ich meine Isomatte auf dem Boden ausrolle und mich neben die Räder lege, während sich Peter mit seinem Stuhlnachbarn unterhält.

 

Samstag, 23. Juli`05

Dete

Mit den ersten Sonnenstrahlen verabschieden wir uns von den Anderen sind wirklich froh, als wir endlich mit unseren Rädern durch den eiskalten Morgen und die leeren Gassen des Ortes radeln können.

Als wir in einer Sackgasse am Rande des Dorfes gelandet sind, ist uns klar, dass wir uns verfahren haben. Nach einigem Umherirren finden wir endlich jemanden, den wir nach dem Weg fragen können. Der beschreibt uns die kürzeste Möglichkeit, und ehe wir uns versehen stehen wir mitten im Busch. Diese „Abkürzung“ zur Hauptstraße ist so sandig, dass wir unsere Räder teils schieben, teils tragen müssen. Nur so sind wir auch langsam genug, um die ganzen Elefantenspuren im Sand erkennen zu können.

Nach etwa zwei Kilometer Busch haben wir die Hauptstraße erreicht. Hier müssen wir nicht mehr sehr lange fahren, dann finden wir auch schon die Abzweigung zum „Miombo Safari Camp“. Kurz bevor wir in die Einfahrt einbiegen, huscht eine Herde Zebras vor uns über die Straße – ganz dicht! Als wir im Camp ankommen, sind wir so früh an, dass die Angestellten nichts mit uns anfangen können. Also gibt es ein Pott Kaffee und wir sollen warten, bis der Besitzer kommt.

Dann folgt für uns eine ernüchternde Nachricht: das Safari-Auto der Lodge ist kaputt, also können wir mit der Kreditkarte über die Lodge keine Safari buchen, und alles andere ist für uns zu teuer. Folglich scheint die ganze Fahrt zum Nationalpark für uns nicht so ergiebig gewesen zu sein. Da wir aber müde sind und irgendwo die Nacht verbringen müssen, entscheiden wir uns dafür, die eine Nacht hier auf dem Campingplatz für 10 US-Dollar zu verbringen. Wir bauen unser Zelt im Sand zwischen den niedrigen Bäumen auf und machen uns erst einmal was zu essen, da Abendessen und Frühstück ja eher bescheiden ausgefallen sind.

Als wir satt sind, setzen wir uns auf die Räder und begeben uns auf Erkundungstour. Wir wollen die Hauptstraße hochradeln bis zum Eingang des Nationalparks, vielleicht sehen wir ja auch dort schon wilde Tiere. Von den letzten sieben Kilometern bis zum Maincamp hat man uns abgeraten, dies sei ohne geschlossenes Auto zu gefährlich.

Auf den ersten paar Kilometern sehen wir nichts außer einer überfahrenen Schlange, doch als wir dann abbiegen, sehen wir immer wieder Gazellen und Antilopen, auch Affen sind vorhanden – eigentlich wie überall. Irgendwann kommen wir an ein Wasserloch, und hier gibt es richtig viele Tiere. Eine große Herde Zebras ist gerade am trinken und auf der anderen Seite des Wassers tragen Paviane ihre Machtkämpfe aus. Wir sehen uns alles genau an und fahren dann weiter. Bald kommen wir an eine Ansammlung von Häusern – das Maincamp. Ohne es zu wissen, sind wir doch bis hier hin geradelt, aber wir haben unterwegs auch kein Hinweisschild gesehen, dass den Eingang des Parks angezeigt hat. Noch immer wollen wir eine Safaritour machen, und als wir dem Ranger am Eingang erklären, dass wir ja nur Räder dabei haben, guckt der zum Fenster auf unsere Fortbewegungsmittel und sieht uns nur ungläubig an und zweifelt an unserem Verstand. Wir werden ermahnt, auf keinen Fall wieder mit dem Rad zurückzufahren, sondern auf eine Mitfahrgelegenheit zu warten. Als wir mit einer Cola im Restaurant sitzen, hilft uns ein Angestellter weiter: für 60 US-Dollar kann ein Bekannter von ihm uns eine 3-Stunden-Tour anbieten, doch in diesen Preis ist der Eintritt zum Nationalpark von 15 US-$ pro Person noch nicht beinhaltet. Wir kalkulieren und kommen zu dem Schluss, dass wir uns die Tour nur für 20 US-$ leisten können – nach langem Hin und Her stimmt der Fahrer zu. Wir sind sowieso nicht die Einzigsten auf dem Auto, mit uns fährt eine deutsche Familie aus Essen, die lange in Bulawayo gewohnt hat. Als wir auf dem offenen Geländewagen in den Nationalpark fahren, sehen wir die Tiere: Elefanten, Antilopen, Büffel, Hippos, Krokodile, Giraffen, Zebras, Gnus, Schakale und die Fußabdrücke von Löwen und Nashörnern. Wir machen an einem Wasserloch halt und können von der Aussichtsplattform den Tieren beim Trinken zusehen. Die Hippos stehen zwar im Wasser, aber so tief, dass wir außer den Rücken nichts sehen. Die Sonne geht schon unter, aus wir auf dem Rückweg zum Parkausgang einen großen Elefanten aufschrecken. Weitere Elefanten stehen in einem Wasserloch direkt vor der rot untergehenden Sonne – einfach phantastisch!

Als wir wieder im Maincamp angekommen waren, ist es schon stockdunkel.An eine Rückfahrt mit den Rädern ist jetzt nicht mehr zu denken! Glücklicherweise bietet sich unser Fahrer dazu an, uns mit den Rädern bis zu unserer Lodge zu fahren. Als wir dort ankommen, ist es schon sehr spät und wir werden vom Nachtwächter erwartet, der sich schon Sorgen gemacht hat. Wir gehen durch die Sträucher zu unserem Zelt und sind überrascht, als dort schon ein Lagerfeuer für uns brennt – vom Nachtwächter angezündet.

Hungrig wie wir sind, können wir sofort unseren Topf dort aufsetzen, und nur wenig später sitzen wir mit unserem Essen am Feuer. Satt und müde dauert es nicht besonders lange, und wir ziehen uns in unser Zelt zurück, über uns funkeln unendlich viele Sterne! Später in der Nacht werde ich noch einmal wach, als ich die Hyänen höre; unser Feuer brennt noch immer, offensichtlich hat dort jemand Holz nachgelegt, um die Tiere fernzuhalten, denn es gibt kein Zaun, der unser Nachtlager vom Nationalpark trennt. Einigermaßen beruhigt drehe ich mich um und schlafe schnell wieder ein.

 

Sonntag, 24. Juli`05

Nachtzug Bulawayo

Die Sonne ist schon aufgegangen, als wir heute morgen wach werden – zu ereignisreich ist der gestrige Tag gewesen! Es gibt es erst einmal das „Zimbabwe-Standard-Frühstück“: Kaffee, Tee und Kekse. Der Lodgebesitzer mahnt uns noch einmal zur Vorsicht mit den wilden Tieren, nachdem er unsere Erlebnisse von gestern schon erzählt bekommen hat – woher auch immer!

Wir können bis zum Abend auf unserem Campingplatz bleiben, also haben wir viel Zeit. Wir gehen wir in der näheren Umgebung unseres Camps spazieren. An einem Wasserloch sehen wir eine Gazelle trinken. Als sie unsere Witterung bekommt, verschwindet sie im Gebüsch. Kurz drauf raschelt es im Unterholz, wir bleiben stehen und warten ab. Es dauert nicht lange und eine kleine Herde Warzenschweine quert vor uns über den Weg – offensichtlich auf dem Weg zum Wasserloch. Da wir den Tieren beim Trinken zuschauen wollen, gehen auch wir unseren Weg zurück zum Wasserloch und kommen kurz vor den Warzenschweinen dort an. Während wir dort stehen, sehen wir große Pfotenabdrücke auf dem Boden. Ob die Idee, hier alleine Tiere zu beobachten, doch nicht so gut ist?

Etwas beunruhigt gehen wir zurück zum Miombo Camp und fragen bei den Angestellten nach. Hyänenspuren – heißt es! Natürlich sei es nicht ganz ungefährlich, so nahe am Wasserloch Tiere zu beobachten, aber genau dafür sind wir ja schließlich hier. Also schnappen wir uns wieder die Fotoausrüstung und ziehen los. Wir kommen wieder am Wasserloch an und scheuchen drei große Geier auf, die im Gebüsch etwas gefressen haben. Die schwarzweißen Vögel sind riesig und ergreifen vor uns die Flucht. Ansonsten tut sich hier nichts, obwohl wir sehr lange warten. Enttäuscht gehen wir wieder zum Camp zurück.

Die nächste Nacht verspricht wieder sehr lange zu werden, also ruhen wir uns noch in Zelt aus, bevor wir am späten Nachmittag alles zusammen packen. Wir wollen vor Einbruch der Dunkelheit die drei Kilometer bis zum Bahnhof radeln, um Begegnungen mit Elefanten zu vermeiden.

Die kurze Strecke bis zum Bahnhof haben wir schnell hinter uns gebracht; nun sitzen wir da, um die sechs Stunden bis Mitternacht zu warten. Hier und da werden wir mal angesprochen, wo wir hin wollen und was wir hier tun würden, ansonsten passiert nicht viel. Gegen 23.00 Uhr kommt auch die Köchin unseres Camps, die ebenfalls nach Bulawayo will, und verspricht, ein Auge auf uns zu haben. Wir lassen unsere Räder abwiegen und als Gepäckstück deklarieren, dann warten wir auf den Zug. Der kommt dann auch mit knapp einer Stunde Verspätung und mit Hilfe eines freundlichen Polizisten und der Köchin gelingt es uns, ein Zwei-Personen-Schlafcoupe in zweiter Klasse zu organisieren.

Glücklich, dass alles wieder reibungslos funktioniert hat, beziehen wir unser mobiles Nachtquartier. Es wird eine relativ unruhige Nacht, der Zug ruckelt, überall rumpelt es und man hört die Leute in den Nachbarabteilen reden.

 

Montag, 25. Juli`05

Bulawayo

Lange, bevor der Zug Bulawayo erreicht, sind wir schon wieder wach. Draußen wird es wieder hell und man kann die Landschaft erkennen. Gegen 8.00 Uhr läuft der Zug in den großen Bahnhof von Bulawayo ein. Am Gepäckwagen nehmen wir unsere Räder in Empfang, laden alles wieder auf und ziehen los.

Eigentlich will ich jetzt schon ein Abteil für unsere Weiterfahrt nach Harare buchen, doch am Schalter ist so viel Betrieb, dass wir nicht länger warten wollen. In den Straßen fahren verhältnismäßig viele Autos, etwas besorgt reihen wir uns in den Linksverkehr ein. Im Karomuster radeln wir durch die Innenstadt und streben den städtischen Campingplatz im Park an.

Als wir dort ankommen, stellen wir fest, dass der Platz sehr günstig und unheimlich leer ist. Wir sind die einzigsten Gäste und man rät uns, das Zelt nicht zu weit von der Rezeption entfernt aufzustellen – eine Frage der Sicherheit?

Wir bauen unser Zelt auf und frühstücken erst einmal in Ruhe. Anschließend gehen wir in die Stadt, da ich die lange versprochene Mail nach Deutschland schicken will. Wir rufen eine Bekannte aus dem Saarland an, die hier wohnt und die wir hier treffen wollen. Als wir Monika am Apparat haben, ist sie entsetzt zu hören, dass wir unser Zelt auf dem städtischen Campingplatz aufgebaut haben und bittet uns, alles wieder abzubauen und zu ihr nach Hause zu kommen. Wir tun das und radeln kaum eine halbe Stunde später wieder vom Platz – von den Angestellten nur fassungslos betrachtet. Wir müssen noch zwei Kilometer weit fahren, dann kommen wir schon im Wohngebiet außerhalb der Stadt an. Monikas Wegbeschreibung ist sehr präzise und wir finden das beschriebene Einfahrtstor ohne Probleme.

Als wir klingeln, werden wir freundlich empfangen. Monika zeigt uns ihr Haus und Grundstück, für das sie einen Käufer sucht, wir finden Domizil im Gästehaus. Es ist ein seltsames Gefühl, nach so langer Zeit wieder ein echtes Bett unter sich zu haben. Hier gibt es fließendes Wasser – heiß und kalt – Elektrizität und alles, was wir jetzt schon länger nicht mehr gehabt haben. Abends sitzen wir gemeinsam mit Monika in der Küche mit Bier und Wein und erzählen uns gegenseitig, was man hierzulande alles erleben kann. Durch diesen erholsamen „Urlaubstag“ sind wir für die bevorstehende Radtour optimal ausgeruht.

Bevor wir schlafen gehen, packen wir unser Gepäck noch um: einen großen Teil der Sachen wollen wir hier lassen, für die zwei Tage im Matopos-Nationalpark benötigen wir ja nicht so viel.

 

26. Juli `05, Dienstag

Maleme Camp, Matopos

Heute morgen stehen wir nach einer sehr guten Nacht relativ früh auf. Wir haben beide unheimlich gut geschlafen und fühlen uns fit für den kommenden Tag. Nachdem wir unsere wenigen Sachen zusammen gepackt haben, gehen wir rüber zu Monika ins Haupthaus, um zu frühstücken. Die Tafel biegt sich fast unter dem Essen – es gibt alles, was man sich nur vorstellen kann: echte Brötchen, Rührei, Marmelade, Wurst, Butter, Käse, Kaffee, Orangensaft und Milch.

Als wir wenig später mit unseren leichten Rädern aufbrechen, vergehen die ersten Kilometer wie im Flug. Kurz bevor wir die letzten Häuser von Bulawayo hinter uns lassen, können wir noch ein Brot kaufen, denn Lebensmittel gibt’s im Matopos keine. Wie zuvor schon winken uns die Leute zu und grüßen uns; es ist immer wieder rührend, wie freundlich die Menschen hier doch sind!

Das Randgebiet von Bulawayo zieht sich über zehn Kilometer weit, dann sind wir wieder auf dem Land. Die Straße ist verhältnismäßig flach und nicht sehr anspruchsvoll, die Räder rollen fast von alleine. Gegen Mittag haben wir dann den Eingang des Nationalparks erreicht und müssen erst mal 15 US-Dollar pro Person bezahlen, um ins Naturschutzgebiet reinzudürfen.

Die Landschaft ist hier spektakulär: überall sind Granitbrocken aufeinandergetürmt und geben bizarre Formen ab. Felskugeln liegen wie gestapelt aufeinander, riesige Granitplatten bilden unwirkliche Kuppeln. Wir lassen uns für die nächsten Kilometer sehr viel Zeit, das müssen wir auch, denn hier ist der schmale Asphaltweg sehr hügelig und uneben und für uns sehr anspruchsvoll zu fahren.

Obwohl die Landschaft im Nationalpark unvergleichlich schön ist, sehen wir keine Autos und keine anderen Touristen. Wir fahren den ganzen Nachmittag völlig allein durch die Gegend. Hier und da halten wir an, um Fotos von den wunderschönen Felsen zu machen, dann kommen wir am Camp „Maleme Dam“ an.

Das sogenannte Maincamp liegt dicht am Ufer und ist sehr spartanisch eingerichtet: Toiletten und Duschen funktionieren nicht, aber wir haben eine Wasserstelle in der Nähe des Zeltes. Da wir auch hier ganz alleine sind, haben wir freie Wahl bei der Suche des Standplatzes.

Es wird so schnell dunkel, dass wir nicht mehr im Hellen kochen können. Mit Hilfe von Esbit-Würfeln haben wir schnell ein Lagerfeuer brennen, und das ist auch gut so, denn so ganz isoliert hat die Geräuschkulisse schon etwas Beunruhigendes! Als wir so ganz alleine an unserem Lagerfeuer sitzen, haben wir das Gefühl, als wenn die Welt um uns nicht mehr existieren würde. Erst nach langem Schweigen und Feuergucken merken wir, dass wir eigentlich müde sind.

Den Weg zum Zelt legen wir aus Sicherheitsgründen mit einer Holzfackel zurück, aber kaum liegen wir in unseren Schlafsäcken und das Feuer erlischt, da hören wir draußen jede Menge Geräusche und Getrappel. Ich frage mich, ob es gut ist, nicht nach draußen sehen zu können.

Mittlerweile bin ich wieder schrecklich wach, während Peter selig schlummert. Ein lautes Platschen im Wasser lässt mich zusammenschrecken und bei jedem unbekannten Geräusch habe ich das Gefühl, dass mein Herz einen Schlag aussetzt. Adrenalin kribbelt im Bauch! Irgendwann schlafe ich dann aber doch mit meinem Taschenmesser in der Hand ein, werde aber oft wach und frage mich jedes mal, ob die Idee so gut war, die Nacht hier so alleine zu verbringen.

 

Mittwoch, 27. Juli `05

Matopos Research Station

Als heute morgen die Sonne aufgeht, habe ich eine relativ unruhige Nacht hinter mir. Die ungewohnten Geräusche rund ums Zelt haben die Phantasie angeregt und ich habe mir unser Zelt von allem möglichen umringt vorgestellt.

Jedenfalls ist es jetzt hell und Geräusche und Tiere haben die Schrecken der Nacht verloren. Draußen ist es eisig kalt und wir machen Feuer, um das Kaffeewasser zu kochen. Nach einem sättigenden Frühstück mit unserem Brot packen wir die Räder und fahren los. Angeblich sind es von hier aus bis zur Hauptstraße nur zehn Kilometer, doch wir sind unendlich lange unterwegs.

Direkt hinter dem Camp hört der Asphalt auf und die schlechte Schotterpiste führt sehr steil nach oben – so dass wir eigentlich schon müde sind, bevor wir den ersten Kilometer hinter uns gebracht haben. Später wird die Strecke dann etwas flacher, jedoch so sandig, dass an Fahren gar nicht zu denken ist. Das bepackte Rad macht im tiefen Sand, was es will, und bei den Fahrversuchen gerate ich so ins Schleudern, dass es mich öfters flach hinhaut. Peter hat mit seinem eigenen Rad zu kämpfen, also bleibt das Aufstehen mir alleine überlassen. Außer viel Sand in Mund und Kleidern passiert nie viel, es geht immer direkt weiter.

Frustriert kämpfen wir uns im Schneckentempo in Richtung Hauptstraße – zu fuß wären wir bestimmt schneller gewesen. Nach knapp zwei Stunden Fahren, Schieben und Stürzen haben wir dann endlich die Hauptstraße erreicht. Hier befindet sich nun der Whovi-Game-Park, ein einzigartiges Nashornreservat.

Mit den Rädern hier rein zu fahren, ist absolut unmöglich, aber da wir neugierig sind, fahren wir bis zum Haupttor, denn dort sehen wir eine schöne Felsformation, die wir fotografieren wollen. Auf dem Rückweg zur Hauptstraße kommt uns ein Geländewagen entgegen und hält an. Die Ranger im Auto wollen wissen, was wir hier mit den Rädern tun, und als wir ihnen alles erklärt haben, sagt uns David – der Boss – wir sollen umdrehen und mit ihnen zum Haupteingang zurückfahren. Die Ranger müssen mit dem Auto zu einer Wasserstelle weit drinnen im Tal fahren, und David bietet uns an, einfach so kostenlos mitzufahren.

Dieses Angebot können wir uns natürlich nicht entgehen lassen, und so sitzen wir auf der Ladefläche des Pick-Up und schaukeln über die Sandpisten. Ein einziges Nashorn sehen wir, leider nur aus weiter Ferne, doch diesmal bekommen wir Hippos in voller Größe zu sehen. Hier und da grasen Impalas, jede Menge Zebras und Warzenschweine.

Als wir wieder am Parkeingang ankommen, bietet uns David an, für 10 US-Dollar mit einem seiner Ranger eine Stunde lang zu fuß durch den Park laufen zu dürfen. Im Vergleich zu den organisierten Touren ist das sehr günstig, wir sagen begeistert zu.

Über ganz schmale Pfade und durch hohes Elefantengras geht es im anspruchsvollen Tempo durch den Busch. Wir haben nichts zu trinken dabei, denn wir können ja nicht ahnen, dass eine Stunde in Afrika 180 Minuten hat! Am Anfang sehen wir kaum Tiere und unser Ranger Thabani erklärt uns, dass es um diese Uhrzeit wohl zu heiß sei. Irgendwann kommen wir an dem Wasserloch vorbei, an dem wir vorher auch schon mit dem Auto waren. Wir sehen die Hippos ganz dicht, ebenso Zebras und Giraffen. Doch leider kein anderes Großwild.

Etwas enttäuscht gehen wir weiter, und als wir im hohen Gras unterwegs sind, hält Thabani uns leise zurück. Ein weißes Nashorn steht vor uns im Gebüsch und wir schleichen uns auf 15 Meter Entfernung ran, um schöne Fotos machen zu können. Es ist sehr beeindruckend für uns, ein so gewaltiges Tier aus der Nähe zu sehen – und das ganz ohne Zaun! Spannend ist es allerdings auch, ich bin erleichtert, als wir uns leise zurückziehen und zu den Rädern gehen.

Als wir dort ankommen, bedanken wir uns bei Thabani für dieses unvergessliche Erlebnis und leeren gemeinsam unsere Wasservorräte – der Nachmittag hat durstig gemacht.

Es ist 16.00 Uhr, als wir uns endlich auf die Räder schwingen und in Richtung Bulawayo rollen. Wir haben noch ganze zwei Stunden Tageslicht – absolut unmöglich, die Stadt noch im Hellen erreichen zu können, es sind noch 60 sehr hügelige Kilometer.

Also radeln wir einfach los, in der Hoffnung, die Nacht irgendwo verbringen zu können. Es ist schon lange dunkel, als wir das Dorf Matopos erreichen. Hier müssen wir bleiben, es gibt ohne Licht am Rad keine Alternativen. Wir fragen einen Fußgänger auf der Straße, und siehe da, es gibt im Dorf ein Hostel – unsere Rettung.

Im Dunkeln folgen wir der Wegbeschreibung und kommen an ein großes, modernes Haus. Unsere Unterkunft kostet 240.000 Zimbabwe-Dollar, wir sind überrascht: dies ist kein Zimmer, sondern eine komplett eingerichtete Wohnung mit Wohn- und Esszimmer, Küche, Bad und Schlafzimmer. Mit so viel Luxus haben wir zu so später Stunde nicht gerechnet.

Kurz drauf klopft es an unserer Tür. Peter macht auf und vor uns steht die Köchin mit zwei Portionen Sadza und Fleisch – wir sind überwältigt! Zum krönenden Abschluss machen wir uns noch Mousse au Chocolat zum Nachtisch, den Rest des Abends verbringen wir im Wohnzimmer.

Wie gehen wir immer früh schlafen, denn der Tag war sehr ereignisreich und ermüdend. Nach dem letzten Camp ist es wohltuend, in einem echten Bett schlafen zu können.

 

Donnerstag, 28. Juli `05

Bulawayo

Nach einer absolut ruhigen Nacht wachen wir heute morgen auf, weil der Wind draußen so laut heult. Ein Blick aus dem Fenster zeigt Wolken – es stürmt richtig.

Wir gehen rüber ins Haupthaus, um dort in der Kantine zu frühstücken. Es gibt das klassische Frühstück der Einheimischen: Sadza, Bohnen, Eier und zwei Scheiben Toast. Als wir gegessen haben, packen wir unsere Räder und machen uns auf den Weg. Die ersten zwei Kilometer sind Schotterpiste – bei dem entsetzlichen Gegenwind fast schon eine Tortour. Unter diesen Umständen macht es nur wenig Spaß, mit dem Rad zu fahren, doch wir haben es uns ja selber so ausgesucht. Irgendwie werden wir die 40 Kilometer bis zur Stadt schon hinter uns bringen.

Da das Fahren heute morgen so anstrengend ist, machen wir alle fünf Kilometer eine Trinkpause – und die ist auch immer dringend nötig. Wir haben das Gefühl, ständig nur bergauf zu fahren, es ist kaum mal Zeit, die Beine zu entlasten.

Nach einer Lutschzeit von fünf Storck-Schokoriesen sind wir dann endlich am Stadtrand von Bulawayo angekommen. Die Wolken haben sich verzogen, doch es ist weiterhin relativ kalt.

Da wir unseren Zug nach Harare noch buchen müssen, fahren wir zuerst zum Bahnhof. Dort reihe ich mich in die lange Warteschlange ein, um zu reservieren. Für Freitagabend ist nichts mehr zu haben, also buche ich Samstagabend für zwei Personen ein Schlafcoupé. Nach einem kurzen Bummel durch die Innenstadt, anschließend radeln wir weiter zu Monikas Haus.

Sie selbst ist im Moment nicht da, doch Angelina – das Hausmädchen – wartet schon auf uns. Während wir uns was zu Essen kochen, kommt auch Monika. Sie ist bei South African Airways gewesen und hat dort mit der Kopie unseres Tickets unseren Flug umgebucht, da diese Fluggesellschaft noch immer streikt. Wir sind sehr dankbar, dass Monika dies für uns erledigt hat. Da sie sowieso im Ticketbüro etwas zu regeln hatte, hat sie sich auch gleich um unseren Flug gekümmert.

Den Rest des Nachmittags faulenzen wir, in den letzten zwei Tagen haben wir Anstrengung genug gehabt. Auch am Abend unternehmen wir nichts mehr, nach dem Essen packen wir schon mal unsere Sachen so weit wie möglich zusammen.

 

Freitag, 29. Juli ´05

Bulawayo

Obwohl wir heute eigentlich Zeit zum Ausschlafen haben, bin ich schon um 7.00 Uhr wach – das hat sich irgendwie so eingependelt. Mit dem Frühstück lassen wir uns Zeit, denn heute haben wir sowieso nichts besonderes vor.

Später fahren wir runter in die Stadt und gehen dort auf Erkundungstour. Unser erster Weg führt ins Ticketbüro von South African Airways, um uns dort nach dem neusten Stand zu erkunden. Erleichtert erfahren wir, dass der Streik zu ende ist und wir wie geplant nach Hause fliegen können. Nach dieser guten Nachricht streifen wir den ganzen Nachmittag durch Bulawayos Straßen und sehen uns die Geschäfte an.

Für unsere Weiterfahrt suchen wir Brot. Das ist mal wieder Mangelware, denn wir haben schon alle Brotläden in der Stadt abgeklappert und stehen noch immer mit leeren Händen da.

Auf dem Rückweg zum Haus halten wir am teueren Supermarkt an und können Lebensmittel für Abendessen und Frühstück finden. Bis zum Abendessen sitzen wir dann im Garten und beobachten die Vögel, die hier an die Tränke kommen und baden.

Den gemütlichen Abend verbringen wir damit, bei Bier und Wein Reiseerlebnisse der vergangenen Jahre auszutauschen. Monika, die ja fast ihr ganzes Leben mit Reisen rund um die Welt verbracht hat, hat so viel zu erzählen, dass es absolut nicht langweilig wird.

Als wir endlich schlafen gehen, ist es schon 22.30 Uhr – so spät sind wir während der ganzen Tour nicht ins Bett gegangen.

 

Samstag, 30. Juli ´05

Nachtzug Harare

Mittlerweile hat es schon eine gewisse Regelmäßigkeit, auf der Terrasse vor der Haustür ein so reichhaltiges Frühstück zu genießen. Danach geht es mit den Rädern los zum letzten Einkaufsbummel, so langsam sind unsere Geld- und Platzressourcen erschöpft. Unser Ziel ist heute die Induna-Art-Gallerie. Dort haben wir uns gestern schon umgesehen und so viele schöne Sachen gesehen, von denen wir uns heute einige aussuchen.

Mir haben es die großen Batiktücher angetan, während Peter mit einer großen Metallskulptur liebäugelt, die einen Buschmann darstellt. Glücklicherweise treibt auch irgendein Zufall Monika in den Laden, so dass wir unsere Einkäufe bequem und unkompliziert bei ihr im Kofferraum abladen können – zumindest bis zu ihrem Haus.

Gegen 17.00 Uhr machen wir die Räder startklar. Da Peters Buschmann furchtbar unhandlich ist, wird er unverpackt einfach so aufs Gepäck aufgesetzt und mit Expandern festgeschnallt. Wir verabschieden uns ganz herzlich von Monika und bedanken uns noch mal für alles, dann radeln wir los. Fast jeder, an dem wir vorbei rollen, lächelt über unsern „reitenden“ Buschmann.

Die Sonne geht gerade unter, als wir am Bahnhof ankommen. Hier ist sehr viel Betrieb und der Bahnsteig ist unübersichtlich. Wir laden die Räder ab und ich bleibe beim Gepäck, während Peter mit den Rädern zum Wiegen und Aufgeben verschwindet. Da es sich schon vorher bewährt hat, nehmen wir alle anderen Gepäckstücke mit uns in die Kabine. Diesmal haben wir auch unsere Schlafsäcke in greifbarer Nähe, von vergangenen Zugfahrten haben wir doch dazugelernt. Schon zwei Stunden vor der Abfahrt können wir uns in unser Abteil zurückziehen – hier ist die Warterei wesentlich angenehmer.

Genau pünktlich um 21.00 Uhr setzt sich der Zug in Bewegung. Als wir das Licht in unserem Abteil ausschalten, sehen wir noch einmal den endlos weiten Sternenhimmel von Afrika. Wie erwartet wird es schnell kalt und wir kriechen tiefer in unsere Schlafsäcke.

In dieser Nacht schlafe ich verhältnismäßig gut – ab und zu, wenn der Zug anhält, werde ich mal wach, denn das Ruckeln und Rattern fehlt.

 

Sonntag, 31. Juli ´05

Harare

Pünktlich mit der Morgendämmerung werde ich wach. Als Frühstücksklassiker im Zug haben wir Brot, Erdnussbutter und Marmelade im Gepäck. Unser Zug hat zwei Stunden Verspätung, als wir im Bahnhof von Harare einlaufen. Wir müssen auf dem riesigen Hauptbahnhof warten, bis unser Gepäck – die Räder – ausgeladen werden. Noch auf dem Bahnsteig packen wir die ganzen Taschen wieder auf die Gepäckträger, verschaffen uns kurz Orientierung mit Hilfe eines Stadtplans und rollen dann los.

Wir haben schnell den richtigen Weg zu unserer alten Unterkunft gefunden. Auch hier in der Großstadt schauen uns viele Leute lächelnd nach, denn hinter Peter auf dem Rad sitzt mal wieder der Buschmann. Als wir in der „Small World“ ankommen, werden wir wiedererkannt und freudig begrüßt. Die Angestellten wollen sofort wissen, wie es uns ergangen ist und wir bekommen ein schönes Zimmer, obwohl momentan niemand von der Hausleitung anwesend ist.

Wir laden alles ab und machen uns sofort auf den Weg zum Supermarkt, da wir noch Brot und Saft kaufen wollen. Diesmal müssen wir für unser Brot mal wieder lange in der Schlange anstehen, doch wir haben ja Zeit. Als wir alles erledigt haben, schlendern wir auf dem Rückweg zum Hostel noch über den kleinen, freien Markt, den wir am Bachlauf entdeckt haben.

Hier in Harare müssen sich die Händler gut vor den Behörden verstecken, da alle Marktaktivitäten neuerdings illegal sind. Je weiter wir uns von der Hauptstraße entfernen, umso mehr Stände finden wir. Wie immer haben wir für alle Fälle Kugelschreiber und T-Shirts im Rucksack, denn hier wird alles getauscht.

Mit vollen Taschen gehen wir zurück in unser Hostel, nun ist es wirklich Zeit für unser Mittagessen. Später sitzen wir dann im Innenhof und sehen dem allgemeinen Treiben zu. Im Moment ist hier richtig viel Betrieb – fast jedes Zimmer ist belegt. Wir hingegen sind nun fast am Ende unseres Urlaubs angekommen und müssen mal wieder packen.

Der Buschmann macht mal wieder Stress – er passt nicht in den Rucksack. Wieder müssen wir umplanen: nun kommt eine große Pappkiste zum Einsatz. Hier drinnen wird unser Buschmann und der Rest von Peters Gepäck verstaut, doch es dauert ziemlich lange, bis wir alles untergebracht haben.

Auch für unsere Räder haben wir Verwendung gefunden: mit ihnen bezahlen wir unser Zimmer für die Nacht und den Transport zum Flughafen. Außerdem springt noch eine weitere Blechskulptur für mich raus: eins der hiesigen Perlhühner, die wir überall unterwegs gesehen haben, nur kleiner als die echten.

Nach getaner Arbeit gehen wir rüber in die Bar und trinken unser wohlverdientes Bier. Wir sitzen gemeinsam mit einer Gruppe Holländer und den Lodgebesitzern zusammen und erzählen. Es wird sehr spät, bis wir schlafen gehen. Da wir diesmal in einem Haus übernachten, vermisse ich den unendlich weiten Sternenhimmel schon jetzt. In dieser letzten Nacht schlafe ich absolut nicht gut.

 

Montag, 1. August ´05

Harare / Frankfurt

Heute ist unser Abreisetag – mal wieder bin ich lange vor dem Wecker auf. Wir wollen heute morgen noch einmal ausgiebig unser bewährtes Frühstück genießen und den Rest unserer Sachen packen.

Den Rest des Gepäcks haben wir nach dem Essen schnell zusammengepackt, denn es wird Zeit, sich zu verabschieden. Auf dem Pick-Up geht es in rascher Fahrt durch die Straßen von Harare zum Flughafen. Jetzt im Auto kommt mir der Linksverkehr zum erstenmal richtig komisch vor, mit dem Rad habe ich das gar nicht so registriert.

Wir haben noch anderthalb Stunden Zeit, als wir am Flughafen ankommen. Da die Abfertigung fürs Ausland wie immer länger dauert, haben wir nicht sehr viel Leerlauf. Wir geben das Gepäck auf, gehen durch die Passkontrolle, bekommen dann unseren Ausreisestempel und können dann durchgehen bis zur Wartehalle.

Unsere letzten Zim-Dollar haben wir in Mitbringsel umgetauscht, mit einer erstaunlichen Menge Handgepäck besteigen wir das Flugzeug nach Johannesburg. Der folgende Nachtflug ist relativ unspektakulär, nach der erforderlichen Menge Rotwein schlafe ich bis Frankfurt durch. Als wir dort um 5.30 Uhr ankommen, regnet es. Das herrliche Sommerwetter, das uns die letzten Wochen begleitet hat, ist genauso beendet wie unser Urlaub.