Golfexperiment 2008 - vereinfachtes Reisetagebuch

November 2007, Deutschland

Seit einigen Wochen ertrinken wir in den Vorbereitungen für unsere Tour. Wir haben im Internet, bei Freunden und Bekannten, auf zwei Afrikatreffen fleißig Informationen gesammelt und haben unsere Entscheidung getroffen.

Wir wollen mit meinem 16 Jahre alten VW Golf nach Afrika fahren! So weit nach Süden, wie es für uns machbar ist, am liebsten bis nach Togo. Auch der Kilometerstand von fast 270.000 Km lässt uns nicht von unserem Vorhaben zurückschrecken.

Uns erwarten Grenzformalitäten, schlechte Pisten und Straßen, unzählige Straßenkontrollen, endlose Wüstenetappen, und, und, und........ jede Menge Abenteuer.

Verwandte und Freunde wollen uns abraten, zählen uns Gefahren, Risiken und Strapazen auf, teilweise kostet es Überwindung, motiviert weiterzuplanen.

Mittlerweile kommt auch mir die endlos lange Strecke bis nach Togo zu weit vor, zuviel Hetzte, zuviel Sitzerei. Wir entscheiden uns für Mali als geplantes Endziel.

Etwa sechs Wochen vor der Abreise dann das perfekte Chaos: unsere Reisepässe, die wir für das Visum von Mauretanien nach Berlin geschickt haben, sind verschollen!

Entsetzen, Panik und etliche Faxe und Telefonate zur mauretanischen Botschaft!

Nach einer extrem stressigen Woche halten wir endlich unsere Pässe mit Visum in den Händen.

Zwischenzeitlich wird der Golf in der Garageneinfahrt reisefertig gemacht. Wir konstruieren ein „Dachzelt“ – also Zelt aufs Dach des Autos Marke Eigenbau. Außerdem muss der Katalysator raus und ein Benzinfilter rein.

 

Dezember 2007, Deutschland

Etwa drei Wochen vor unserer Abfahrt tauchen die nächsten Probleme auf: die Geheimnummer von Peters VISA-Karte ist komplett aus unserem Gedächtnis verschwunden. Dieselbe Nummer, die uns schon im letzten Jahr in Burkina Faso Probleme bereitet hat, führt nun eine Fortsetzung weiter. Da auch meine Eltern – damals die telefonischen Nummernvermittler – die letzten Spuren endgültig vernichtet haben, bleibt uns nur eine Möglichkeit:

Jeden Tag eine Fahrt zum Geldautomat, dort gibt es dann drei freie Versuche. Alles Nieten! Wir versuchen uns nun schon seit einer Woche im Glücksspiel und haben den großen Joker leider noch nicht gezogen. So langsam wird’s spannend, uns bleiben nur noch 21 Tage und damit 63 Chancen, die vierstellige Nummer zu erraten.

Dafür habe ich anderseitig mehr Glück. Beim Durchforsten alter Reiseunterlagen finde ich 200 US-Dollar Traveller Cheques – ebenso Altlasten unserer letzten Tour – und einige Bardollars.

 

27. Dezember ´07, Donnerstag,

Saarhölzbach

Mittlerweile sind alle Vorbereitungen soweit abgeschlossen, so dass es fast losgehen kann. Schweren Herzens haben wir unser Haustier zur Familie Schu ins Exil befördert, schon vor Weihnachten, um ungestört alles packen zu können. Papas 70. Geburtstag führt dann zu einer kurzen Unterbrechung unserer Reisevorbereitungen, doch die Feiertage anschließend können wir nutzen, um den Golf startklar zu machen.

Die Bodenplatte für unser Zelt wird fest aufs Golfdach montiert und Peter zieht kurz vor einem weihnachtlichen Schneegestöber die Sommerreifen auf, wir fahren schließlich nach Afrika! Unsere Nachbarn wundern sich ohne Kommentar.

Wir packen den Golf einmal zur Probe, um zu sehen, wie alles passt, dann kommt der ganze Kram wieder in den Keller, denn es gibt Nachtfrost.

Am letzten Abend vor unserem Aufbruch genieße ich noch ein letztes Mal meine heißgeliebte Badewanne, während Peter seine Kleider zusammenpackt. Der Rest des Abends verläuft ruhig: ich lege mich – ebenfalls zum letzten Mal – relativ früh ins geheizte Wasserbett, um noch einmal genießen zu können.

Kurz schlafe ich ein, dann kann ich mein Bett lange intensiv genießen, denn mir gehen so viele Gedanken durch den Kopf, dass an Schlaf schon um kurz nach zwei nicht mehr zu denken ist.

Haben wir wirklich an alles gedacht? Sind die Formalitäten korrekt und vollständig? Hält der Golf überhaupt zumindest bis nach Mali durch?? Wenn nicht, was dann??? Wie... Wo... Wassss......??

 

28. Dezember´07, Freitag

Saarhölzbach – Beziers

Km 270.000 – 270.897

Um 5.30 Uhr klingelt der Wecker – eigentlich wie an einem ganz normalen Arbeitstag. Alles fängt auch genauso an. Ich stehe auf, füttere den Draußenkater, frühstücke und fahre zur Arbeit. Es ist nicht mehr so glatt draußen und das Wetter hat sich gebessert: kein Schnee mehr, nur noch Nieselregen!

Im Krankenhaus dreht sich dann alles um unsere bevorstehende Abreise. Ich werde von allen Patienten über die Details ausgefragt und kann den Feierabend kaum abwarten. In Gedanken bin ich schon unterwegs.

Um 12.00 Uhr ist es dann endlich so weit. Eine Grippewelle sorgt dafür, dass etliche ambulante Patienten absagen, es ist nichts mehr zu tun und ich verschwinde ungeduldig. Auf dem Heimweg werden letzte Besorgungen erledigt, noch Bargeld abheben, dann geht’s ans Packen. Peter muss noch bis um 19.00 Uhr arbeiten, ich lege alleine los.

Es dauert ziemlich lange, bis ich alles im Golf verstaut habe! Jede Lücke wird ausgenutzt: Bierdosen und Tomatenpampe verschwinden unter den Sitzen, das Klopapier im Reserverad und der Baileys im Radkasten.

Als alles drin ist, ist der Golf auf der einen Seite bis zur Decke bepackt, auf der anderen Seite ist eine „Liege-Nische“ von knapp 30 cm Höhe entstanden. Es ist 18.00Uhr und es bleibt mir keine Zeit mehr, mich um das zurückgelassene Haushaltschaos zu kümmern. Noch schnell Kaffee gekocht und Baguette für unterwegs belegt, dann ist Peter schon da. Um 20.00 Uhr sitzen wir startklar im Golf und das „Experiment“ nimmt seinen Lauf.

Ich fahre die erste Etappe und schleiche bei furchtbar schlechter Sicht über die Landstrasse nach Luxemburg. Wir tanken noch einmal voll und müssen jede Menge Luft in die Reifen füllen. Auf der Weiterfahrt durch Frankreich liegt der Golf deutlich besser auf der Strasse – leider bleibt die Sicht aber gleichmäßig schlecht. Ohne weitere Zwischenfälle fahren wir in einer Rutsche durch bis nach Südfrankreich.

Kurz vor Montelimar kommt es dann doch schon zu einem Fahrerwechsel. Es ist erst 4.00 Uhr, doch ich bin schon müde von dem anstrengenden Nebelfahren. Ich verkrieche mich nach hinten und strecke mich im Schlafkabuff aus, Peter fährt weiter. Es ist schwierig, eine einigermaßen bequeme Schlafposition zu finden: ich kann mich zwar ausstrecken, aber nicht in meiner gewohnten Seitenlage, denn dafür ich die Autodecke zu nah!

Um halb sieben wird dann auch Peter müde und wir fahren kurz vor Montpellier auf einen kleinen Parkplatz, um dort bis zum Sonnenaufgang zu schlafen. Es ist trocken und kalt und über uns funkeln die Sterne.

 

Sa, 29. Dezember ´07

Montpellier – Granada

270.897 – 271.960 km

Als wir nach kurzem Schlaf um 8.30 Uhr wach werden, geht die Sonne an einem strahlend blauen Himmel auf. Das Gras ist zwar noch weiß vom Reif, aber es scheint ein herrlicher Tag zu werden.

Nach einem kurzen Frühstück geht es weiter – Peter fährt! Stressfrei rollen wir durch wenig Verkehr der spanischen Grenze entgegen, rechts von uns sehen wir die schneebedeckten Pyrenäen. Das Wetter ist herrlich, die Stimmung ist gut, zumindest bis zur spanischen Grenze!

Die Polizei kontrolliert hier gründlich, wir werden aus der Warteschlange zur Seite gewunken. Schon vor dem ersten Wortwechsel Horrorvisionen: müssen wir nun die ganze Kiste komplett ausräumen??

Die Polizistin verschwindet mit unseren Pässen und wir warten beunruhigt. Nach über zehn Minuten kommt sie wieder, gibt uns unsere Pässe und wünscht uns gute Weiterreise. Uff!!! Großes Aufatmen!

Deutlich erleichtert setzen wir unsere Reise nach Süden fort und ab Barcelona fahren wir in den Frühling. Es tut gut, grüne Wiesen und Sträucher mit den ersten Blüten zu sehen. Bei etwa 15 Grad Außentemperatur fühlen wir uns schon fast wie im Sommer.

Kurz vor Granada dann die Panne: wir haben wohl irgend etwas Scharfes getroffen, jedenfalls ist unser rechtes Vorderrad innerhalb weniger Sekunden völlig platt. Im Dunkeln stehen wir auf dem Seitenstreifen und türmen unser Gepäck aus dem Kofferraum dort auf, um Wagenheber und Ersatzreifen aus dem tiefsten Ecken zu graben. Natürlich kommt gerade in diesem Moment auch noch ein Polizeiauto vorbei und hält an. Der Polizist staunt über das Chaos auf dem Seitenstreifen, fragt, ob alles in Ordnung sei und verabschiedet sich freundlich wieder.

In weniger als 15 Minuten sind wir wieder am Rollen, die Motivation ist aber deutlich gesunken. An der nächsten Tankstelle fahren wir ab und suchen und einen dunkeln Platz zum Übernachten. Draußen sind die Temperaturen tatsächlich unter den Gefrierpunkt gesunken und wir haben keine Lust dazu, eine kalte Nacht auf dem Autodach zu verbringen. Folglich verbreitern wir unsere Schlafmulde, indem wir ein Teil des Gepäcks auf die Vordersitze umladen. Nach einem eh schon ziemlich kalten „Gute-Nacht-Bier“ verbringen wir eine noch kältere Nacht mit Decken – die Schlafsäcke sind gut verstaut, wir fahren schließlich nach Afrika! Wir können wenigstens lang ausstrecken schlafen, doch wenn ich auf dem Rücken liege, berührt meine Nasenspitze fast die Decke des Autos.

 

Sonntag, 30. Januar ´08

Granada – Chefchauen

271960 – 272422

Schon um kurz nach sechs – ich bin gerade richtig eingeschlafen – macht mich Peter wieder wach, denn er will weiter. Da ich sowieso schon friere, lasse ich mir Zeit, mich aus den Decken zu schälen. Zähneputzen und Toilette werden im Eiltempo erledigt, die Zöpfe vom Freitag müssen auch noch heute halten. Unser reichhaltiges Frühstück besteht aus je einem Schokoriegel, dann geht’s weiter.

Die Straßen sind ziemlich leer und Peter fährt zügig, während ich auf dem Beifahrersitz immer wieder eindöse. Die letzten 300 Kilometer bis zum Hafen von Algeciras sind unspektakulär – eben einfaches Kilometerspulen auf der Autobahn.

Mal wieder geht die Sonne an einem strahlend blauen Himmel auf, wir haben Glück! Durch herrliche Kalksteinfelsen fahren wir in den Morgen und es ist hell, als wir bei Malaga auf die Küste treffen. Die letzten 150 Kilometer auf europäischem Boden vergehen sehr schnell.

An einer Ticketbude vor Algeciras kaufen wir unser Fährticket für 36 Euro! Das sind rund 100 Euro weniger, als wir erwartet haben, wir beschweren uns nicht. Den Hafen finden wir ohne Schwierigkeiten und ohne zu warten rollen wir auf die Fähre.

Leider kann man auf der Fähre nicht nach draußen gehen – wir müssen die nächsten 45 Minuten durch zerkratzte Glasscheiben beobachten, wie der Felsen von Gibraltar hinter uns im Dunst verschwindet.

Ein Gespräch mit zwei anderen Pärchen ergibt, dass alle zum ersten Mal mit dem Auto nach Afrika unterwegs sind, folglich gibt es keine hilfreichen Reisetipps vor dem Grenzübergang. Wir warten gespannt und der afrikanische Kontinent rückt langsam näher.

Nach einer ruhigen Überfahrt rollen wir vom Schiff. Ceuta gehört zu Spanien, folglich haben wir noch zwei Kilometer bis zur eigentlichen Grenze Zeit, um uns langsam umorientieren zu können.

Leider habe ich mit der Orientierung leichte Schwierigkeiten, doch nachdem wir uns intensiv das Wohnviertel und Neubaugebiet von Ceuta angesehen haben, machen wir uns dann doch auf den Weg zur Grenze – nicht ohne vorher 100 Liter Super steuerfrei aufgetankt zu haben!

Dann: an der Grenze sieht´s im ersten Moment schon nach dem erwarteten Chaos aus, doch wir werden überrascht. Während wir noch in der Warteschlange stehen, fallen wir doch tatsächlich den „Schleppern“ zum Opfer, die für 5 Euro alles erledigen wollen.

Ich warte im Auto, während Peter mit den Pässen und Autopapieren loszieht. Schon nach einer halben Stunde sind wir soweit fertig und rollen in Richtung Zollabfertigung. Ich merke, dass die grüne Versicherungskarte fürs Auto nicht mehr bei den Unterlagen ist und Peter geht zurück zur Bude. Grosse Diskussionen, niemand weiß Bescheid und die Karte taucht nirgendwo mehr auf. Die ist wahrscheinlich im allgemeinen Treiben von jemand anderem eingesteckt worden – jedenfalls weg. Nun gut, wir können jetzt sowieso nichts mehr dran ändern und fahren einfach weiter. Ohne die befürchtete Gepäckkontrolle rollen wir glücklich nach Marokko, die Autoversicherung ist vergessen.

Auf der anderen Seite der Grenze ist der Verkehr nun doch schon etwas hektischer, es wird ohne Rücksicht gefahren. Tiere laufen über die Straße, und an Einmündungen müssen wir sehr aufpassen, denn wir verstehen die Vorfahrtsregeln noch nicht ganz genau, die komischerweise an jeder Kreuzung anders sind.

Wir wollen heute auf afrikanischer Seite noch 97 Kilometer fahren, bis wir im Bergdorf Chefchauen ankommen. Kurz vor dem Ort treffen wir dann noch auf zwei Polizeikontrollen, die uns aber beide freundlich durchwinken, ohne uns zu kontrollieren. Der zweite erklärt uns sogar den Weg zum Campingplatz.

Während wir die lange und unendlich steile Straße hochfahren, bin ich wirklich froh drum, diesmal nicht mit dem Rad unterwegs zu sein. Der Platz selber ist außerhalb vom Ort, ganz weit oben in den Hügeln in einem Pinienhain.

Wir werden freundlich empfangen, können Geld wechseln und stellen uns zwischen all die anderen Wohnmobile und Wohn-PKW´s. Hier ist alles vertreten: neben sehr vielen Deutschen sehen wir auch Franzosen, Schweizer und Spanier – doch auch von den Marokkanern selbst wird der Platz genutzt.

Die Duschen sind hier so warm, dass ich kaltes Wasser beimischen muss, um mich nicht zu verbrennen. Nach zweieinhalb Tagen im Auto fühlen wir uns anschließend wie neu geboren.

Jetzt endlich wird mal gekocht und natürlich haben wir uns heute Abend auch unser erstes Urlaubsbier verdient. Auf die sowieso nicht vorhandene Kühlung verzichten wir gerne, denn als die Sonne untergeht, wird es wieder so kalt wie am letzten Abend. Wir ziehen uns alles an, was die Kleiderkiste hergibt und frieren uns durch den Abend. Feuer machen lohnt sich heute nicht mehr, denn wir sind müde und wollen uns früh ins Zelt zurückziehen.

Unsere deutschen Nachbarn sind mit ihren zwei kleinen Kindern auch erst seit heute mit ihrem Bus in Marokko unterwegs. Die Nacht wird relativ kalt, wir ziehen alles an, was wir haben und liegen schon um 20.00 Uhr im Bett.

 

Montag, 31. Dezember ´07

Chefchauen – Fes

272422 Km – 272642 Km

Als wir heute morgen wach werden, wird es gerade erst hell. Bei eisigen Temperaturen gibt es Frühstück, noch selten war der heiße Kaffee so gut wie heute! Nach dem Frühstück packen wir unser Auto etwas zweckmäßiger um und unterhalten uns mit unserem Nachbarn. Er empfiehlt uns einen guten Campingplatz in Fes, doch zusammen hinfahren fällt flach – er muss noch seinen Kühler reparieren lassen.

Wir packen alles in den Golf, der kaputte Reifen kommt aufs Dach, dann rollen wir gemütlich los. Peter fährt – er ist den Verkehr in Marokko mittlerweile gewöhnt. Um zur Hauptstrasse zurückzukommen, müssen wir erst durch den gesamten Ort fahren. Im allgemeinen Treiben ist es schwierig, bei der dürftigen Beschilderung die richtige Richtung zu treffen.

Nach etwa 6 Kilometern sind wir wieder auf der eigentlichen Hauptstrasse und rollen in Richtung Süden. Die Landschaft wird hier vom Ackerbau dominiert. Wie wir später erfahren, hat es hier in der letzte Woche heftig geregnet, die Menschen sind dabei, die Felder zu bestellen.

Fes liegt fast 200 Kilometer von unserem letzten Camp entfernt und gegen Ende unserer Etappe ändert sich die Landschaft. Die Hügel werden karger und wir sehen immer mehr Sand. Unsere Strecke führt jetzt durch eine herrliche Hügellandschaft und überall winken uns die Leute freundlich zu.

Unterwegs werden wir auch unseren kaputten Reifen los. Wir halten an einer Werkstatt und lassen die Felge mit dem völlig zerfetzten Mantel einfach da. Die Männer können kein französisch, wissen nicht, was wir von ihnen wollen und gucken uns erstaunt nach, als wir ihnen den Reifen dalassen und wieder wegfahren.

Kurz vor Fes erklimmen wir einen Hügel, von dem aus wir eine herrliche Sicht auf einen Stausee haben, dann geht es weiter in Richtung Fes. Mir graut es schon vor dem Verkehrschaos, vor dem auch schon unser Reiseführer gewarnt hat. Um zu unserem Campingplatz zu kommen, müssen wir ganz auf das andere Ende der Stadt fahren. Die Beschilderung ist mehr als dürftig doch dank GPS fahren wir einfach nur stur in Richtung Süden und finden auch tatsächlich irgendwann wieder Schilder.

Ohne uns auch nur einmal zu verfahren – wir drehen nur einmal zwei Runden im Kreisverkehr – kommen wir am Campingplatz an.

Schorsch aus Aalen ist auch schon da und wir stellen uns daneben. Peter baut unser Dachzelt auf und fängt an zu kochen, während ich mich zu fuß auf den Weg mache, um Brot zu kaufen.

Leider habe ich mich verschätzt – der Laden, den ich auf der Hinfahrt gesehen habe, ist locker drei Kilometer vom Campingplatz entfernt und ich bin sehr lange unterwegs. Marokko überrascht mich positiv: ich werde zwar sehr häufig freundlich gegrüßt, jedoch als einzelne Touristin nicht belästigt. Das Fladenbrot kostet 1,20 Dirham und ich mache mich auf den Rückweg. Als ich dort ankomme, haben sich Peter und Schorsch schon Sorgen gemacht. Wir kochen gemeinsam, und während wir unsere Nudeln mit Gemüse essen, werden auch noch drei Katzen satt. Den Rest des Silvesterabends verbringen wir zusammen mit zwei Flaschen Rotwein im beheizten Wohnbus vom Schorsch. Es werden viele Reiseanekdoten ausgetauscht, der Abend wird lustig. Irgendwann fordert der Rotwein dann seinen Tribut: bis zum Jahreswechsel kann sich keiner wach halten!

Weinselig erklimmen wir unser Dachzelt und sind auch schon bald eingeschlafen. Ich schlafe durch, Peter wird kurz wach, als um Mitternacht irgendwo drei Raketen abgeschossen werden.

Wie schon zuvor wird auch diese Nacht sehr kalt.

 

Dienstag, 1. Januar ´08

Fes

Es ist noch dunkel, als wir heute morgen durch das laute Motorengeräusch eines Baggers wachgemacht werden. Natürlich muss der erst eine halbe Stunde warmlaufen, bevor er weggefahren wird – da nutzt es auch nichts, sich den Schlafsack weit über die Ohren zu ziehen. Nur, weil es im Schlafsack wärmer ist als draußen, bleiben wir noch liegen. Mal wieder bereue ich meine Entscheidung, meinen warmen Daunenschlafsack zuhause gelassen zu haben, weil es ja in Afrika schließlich warm ist!

Mit dem Sonnenaufgang stehen wir auf und kämpfen uns steifgefroren aus unserer „Dach-Hundehütte“ runter auf den Boden. Während wir frühstücken, geht die Sonne auf und es wird wärmer.

Auch heute haben wir wieder Besuch von unseren vier Campingkatzen, die so hungrig sind, dass sie sogar trockenes Fladenbrot fressen.

Wir wollen heute zusammen mit Schorsch mit dem öffentlichen Bus in die Innenstadt von Fes fahren. Der war schon 26 mal hier in Marokko und kennt sich einigermaßen aus – auch in dem berüchtigten Gassengewirr der Altstadt. Den Bus zur Neustadt finden wir an der Straße direkt vor unserem Campingplatz, dann geht’s zu fuß weiter. Auf den ersten Blick sieht Fes aus wie jede andere Großstadt auch. Überall Hochhäuser, breite Straßen und Geschäftshäuser – jedoch nicht das Chaos, wie wir es von anderen afrikanischen Städten kennen.

Dank der guten Orientierung unseres Begleiters kommen wir auch schnell zum Königspalast, hinter dem die berühmte Altstadt anfängt. Das alte Viertel wird komplett von einer Stadtmauer umgeben, wir treten durch ein kleines Tor ein – dann befinden wir uns in einem Gewirr von engen Gassen, durch die kein Auto mehr passt.

Selbst als Touristen können wir uns hier völlig unbehelligt bewegen. Niemand versucht uns zum Kaufen zu drängen, die Gassen sind mit Geschäften gesäumt und wir können uns alles in Ruhe ansehen. Ab und zu kommt uns ein Lastesel oder –pferd entgegen, dann müssen wir in die Türnischen ausweichen, um nicht platt gedrückt zu werden.

In einer der Gassen kommen wir an einem Laden vorbei, dessen Besitzer Schorsch kennt. Ehe wir uns versehen, sitzen wir mit einem Glas Tee in der Hand im Hinterzimmer und unterhalten uns. Ab und zu greift unser Gastgeber zu seinem Instrument und singt uns traditionelle Lieder vor. Als wir viel später weiter gehen, sind wir stolzer Besitzer eines kleinen Lederkamels.

Die kleine Tochter unseres Gastgebers zeigt uns den Weg in die Gerberei, die wir alleine unmöglich gefunden hätten. Wir folgen ihr durch teilweise komplett von Häusern überbaute Gassen die so dunkel sind, dass man ab und zu nach einer Hauswand tasten muss. Irgendwann schlägt uns der unverkennbare Geruch der Gerberei in die Nase. Wir sind froh, dass es heute nicht so warm ist, sonst wäre das hier nur schwer zu ertragen. So lange es unsere Nasen aushalten, schauen wir den Männern bei der Arbeit zu, dann wollen wir uns noch die Metallarbeiten ansehen, bevor es Zeit für den Rückweg wird.

Leichter gesagt, als getan! Selbst Schorsch braucht lange, um in dem Gassengewirr überhaupt mal einen Ausgang zu finden. Nach einigen Fehlversuchen gelingt es uns tatsächlich, nur 500m neben dem Königspalast wieder aus der Altstadt aufzutauchen. Wieder gehen wir zu fuß in die Neustadt, wo die Busse abfahren und finden schnell den Richtigen zum Campingplatz.

Der Platz hat sich mittlerweile richtig gefüllt. In unserer Nähe steht ein VW-Bus, der uns bekannt vorkommt. Es dauert nicht lange, da kommen uns zwei kleine Kinder entgegen – die deutsche Familie, die wir schon in Chefschauen getroffen haben, wohnt mal wieder neben uns.

Weiter hinten auf einem großen Platz stehen 16 italienische Wohnmobile – alles Teilnehmer einer geführten Tour, wie uns Schorsch erklärt.

Solange es noch hell ist, sammeln wir Feuerholz im Wald, denn wir wollen heute Abend nicht schon wieder frieren. Ein Angestellter vom Platz bringt uns eine Feuerstelle, und nach dem Abendessen sitzen wir zusammen mit Schorsch und Regina noch lange am Feuer und trinken Bier. Lars hat sich dazu erbarmt, zusammen mit den Kleinen im Bus zu bleiben. Es ist schon weit nach 22.00 Uhr, als wir Peters kleine Geburtstagsparty beenden. Erst als wir das Feuer verlassen und zum Zelt gehen, merken wir, wie kalt die Nacht ist.

 

Mittwoch, 2. Januar ´08

Fes - Marrakesch

272642 – 273148 Km

Ich werde wach, als Peter aus dem Zelt klettert, es ist noch dunkel und sehr früh. Er hat Kopfschmerzen, meint, es käme vom wenigen Trinken und will sich einen Tee machen. Ich bin müde, drehe mich um und schlafe weiter. Als ich das nächste Mal wach werde, ist es draußen schon hell und Peter schläft fest. Ich stehe auf, mache Frühstück, filtere Wasser und unterhalte mich beim Kaffee mit Schorsch, der auch schon länger wach ist. Nach einem späten Frühstück packen wir alles in den Golf, denn wir wollen weiterziehen.

Bis wir uns von allen verabschiedet haben und losrollen, ist es schon 11.00 Uhr. Ein kurzer Blick in den Motorraum zeigt, dass der gute Golf auf die letzten zweieinhalbtausend Kilometer erst einen halben Liter Öl verbraucht hat – er scheint Afrika wirklich zu mögen!

Draußen ist es noch immer so kalt, dass wir im Auto die Heizung anmachen. Vom Campingplatz aus finden wir die Straße nach Marrakesch ohne Probleme, und Schorsch hat uns auch die GPS-Koordinaten von unserem nächsten Campingplatz gegeben. Unsere voraussichtliche Strecke beträgt heute knapp 500 Km, aber alles asphaltiert.

Von Fes aus geht es erst mal hoch in den mittleren Atlas, dann auf einer kurvigen Straße durch eher karge Landschaft. Im ersten großen Dorf ist eine Baustelle und wir verfahren uns. Freundliche Polizisten leiten uns wieder auf den richtigen Weg. Auf einem Gipfel in der Ferne sehen wir sogar Schnee liegen – so warm ist Afrika!

Für die Strecke bis nach Marrakesch benötigen wir den ganzen Tag, denn die Straße ist eher schmal und hat soviel tiefe Schlaglöcher, dass wir oft Slalom fahren müssen, um den Golf unbeschadet weiterzubringen.

Wir sind noch 150 Kilometer von unserem Ziel entfernt, als die Sonne untergeht. Ein spektakulärer Sonnenuntergang blendet uns dermaßen, dass wir Straße und Verkehr kaum noch erkennen können.

Eigentlich wollten wir ja aus Sicherheitsgründen nicht in der Dunkelheit fahren, aber wir möchten unser Ziel doch gerne heute noch erreichen! Die Straßenränder sind gesäumt von unbeleuchteten Radfahrern, und selbst viele Autofahrer verzichten auf ihr Licht. In den Dörfern müssen wir vor allem auf die langsamen Pferdekutschen aufpassen, denn da fehlt uns die Routine im Umgang. Wir wissen nie so ganz genau, wie schnell man da vorbeifahren kann und wie verkehrssicher die Tiere sind.

Als wir uns Marrakesch nähern, ist es schon stockdunkel, die Schilder sind nicht mehr sehr gut zu erkennen und zum ersten Mal lernen wir unser GPS zu schätzen. In immer enger werdenden Kreisen nähern wir uns unserem Ziel und kommen schließlich in völliger Dunkelheit um 20.00 Uhr dort an. Der Mann an der Rezeption ist späten Besuch offensichtlich gewöhnt, denn er schickt uns jemand mit, der uns mit einem Strahler den Weg über den großen Platz leuchtet. In einer hinteren Ecke finden wir eine Nische zwischen den normalen „Wohnautos“ – die Wohnmobilfahrer haben sich extra gruppiert.

Wir kochen ein verspätetes Abendessen und Peter geht mit seiner Erkältung früh ins Bett, während ich noch länger draußen sitze. Uns gegenüber steht ein großer Wüsten-LKW aus Deutschland, neben uns wohnt ein Holländer, der aber schon soviel intus hat, dass an ein normales Gespräch nicht zu denken ist.

Mal wieder ist der Himmel klar, und der Abend ist schon viel wärmer als unsere letzten beiden Nächte in Fes.

 

Donnerstag, 3. Januar ´08

Marrakesch

Als wir heute morgen wach werden, ist es schon hell. Der Himmel ist bewölkt und es sieht tatsächlich nach Regen aus. Schon während wir frühstücken, nieselt es ab und zu. Endlich genehmigen wir uns mal eine Dusche. Das Wasser ist heiß und läd zum Verweilen ein, doch irgendwann muss damit Schluss sein, denn heute wollen wir uns die Altstadt von Marrakesch ansehen. Wir müssen nicht mit dem eigenen Auto ins Zentrum fahren, denn vom Campingplatz gibt es einen Pendelbus. Unsere Nachbarn sagen uns, dass es pro Person pro Weg 10 Dirham kostet, wenn das Auto voll ist.

Zusammen mit einem Haufen Italiener quetschen wir uns in einen Kleinbus, um die etwa 10 Km lange Strecke hinter uns zu bringen. Das hätte mit dem eigenen Auto keinen Spaß gemacht, und für den bewachten Parkplatz hätten wir auch 20 Dirham bezahlt. An der großen Moschee am Platz der Geköpften werden wir rausgelassen, als Abholtermin machen wir 19.00 Uhr aus.

Auf den ersten Blick macht die Altstadt von Marrakesch einen sehr viel geräumigeren Eindruck als Fes. Die Straßen sind breit, es gibt sehr viele große Plätze und die Menschen verteilen sich mehr auf die Fläche.

Es ist noch Vormittag, als wir auf dem Djamaa-el-Fna ankommen, und der Platz ist noch leer und übersichtlich. Wir sehen die Wasserträger in ihren traditionellen Trachten, die sich zum Fotografieren aufgestellt haben.

Es gibt Schlangenbeschwörer, Akrobaten, Händler, Geschichtenerzähler – einfach alles, was man sich nur so vorstellen kann. Männer in Gewändern tragen dressierte Äffchen mit sich – ein begehrtes Fotoobjekt für Touristen.

Wir setzten uns auf die Dachterrasse eines Cafés, trinken Minztee und schauen uns das Treiben in Ruhe von oben an. Während wir hier oben sitzen, wird der Wind immer stärker und richtige Sturmböen jagen über den Platz. Wir sehen die Sonnenschirme durch die Gegend fliegen und machen uns Gedanken über unser – nur nachlässig – auf dem Auto abgespanntes Zelt. Es ist relativ kalt, während wir das Geschehen auf dem Platz unter uns beobachten.

Nach dem zweiten Tee und jeder Menge Fotos hält es mich nicht mehr länger auf meinem Stuhl: ich will mich ins Getümmel stürzen!

Wir schlendern durch die engen Gassen und sehen uns die Stände und Geschäfte an. Ab und zu kommen wir mit den Leuten ins Gespräch, lassen uns Gewürze erklären und erfahren mehr über die Geschichte der Berber.

Die Souks von Marrakesch sind nicht ganz so eng und verwinkelt wie die Gassen von Fes, doch trotzdem müssen wir ab und zu nach der Richtung fragen, um nicht ganz den Überblick zu verlieren.

Wir finden ein Internetcafé, von wo aus wir für 5 Dirham endlich mal Nachrichten an Zuhause schreiben können. Anschließend essen wir in einem Straßenrestaurant unser erstes Tajine-Gericht: in einem schlichten Tontopf gegartes Gemüse.

Ein neuer Regenguss treibt uns wieder in die Tiefen der überdachten Souks. Diesmal dringen wir so weit in die Gassen ein, dass wir kein Tageslicht mehr sehen und machen unsere Arbeit dabei so gründlich, dass wir vollkommen die Orientierung verlieren. Egal, wie haben Zeit und bummeln weiter durch die Läden.

Da das Wetter nicht so gut ist und es immer kälter wird, wollen wir irgendwann den Rückweg antreten. Wir müssen sehr oft nach dem Weg fragen. Alles sieht irgendwie gleich aus und die Gassen verzweigen sich im Halbdunkeln so oft, dass ein selbständiges Zurechtfinden absolut unmöglich ist.

Uns wird an fast jeder Kreuzung freundlich weitergeholfen und irgendwann tauchen wir dann wieder an der Erdoberfläche auf – verwundert darüber, dass es draußen regnet und schon fast dunkel ist!

Nass und frierend setzen wir uns ins nächste Café und Peter bestellt Getränke, während ich durch den Regen ins Telefonhaus gehe, um unser Taxi eine Stunde früher zu ordern. Mittlerweile ist es auf dem Platz dunkel und es herrscht eine besondere Atmosphäre: alles steht voll mit Garküchen und überall sieht man Laternen brennen.

Als wir um 18.00 Uhr am Treffpunkt sind, wartet dort auch schon ein ganzer Haufen Italiener aufs Taxi. Es ist klar, dass nicht alle in den Kleinbus passen. Glücklicherweise finden wir noch Platz im 10-Sitzer, doch fünf Italiener müssen im Regen zurückbleiben und auf das nächste Auto warten. Das Gelächter im Bus ist ziemlich groß, als die Armen uns auch noch anschieben müssen, denn die Batterie scheint bei dem Wetter auch nicht zu wollen. Auf dem Weg zum Platz lässt der Regen nach, doch die Böen sind noch immer ziemlich stark.

Wir gehen zum Auto und ich bin erstaunt darüber, unser Zelt wirklich noch auf dem Dach zu finden.

Unsere bayrischen Nachbarn erzählen uns, dass sie den ganzen Nachmittag mit Spannung unser Zelt beobachtet hätten, wie sich die Tunnelkonstruktion im Sturm immer wieder plattgedrückt und dann wieder aufgerichtet hat.

Doch meine Erfindung hat die Feuerprobe ohne Schaden überstanden! Alles ist zwar etwas verzogen und nicht mehr so optimal verspannt wie am Anfang, doch Innen ist noch alles trocken und ganz.

Da der Abend draußen sehr ungemütlich ist und wir sowieso schon gegessen haben, ziehen wir uns früh mit einer Flasche Merlot uns Lesematerial in unser Domizil zurück.

Wir sind beide von Marrakesch begeistert, die Atmosphäre ist einfach einmalig und es wäre schade gewesen, hier einfach vorbei zu fahren.

Die Nacht wird sehr unangenehm. Sturmböen und Regen schaffen eine beeindruckende Geräuschkulisse, und wir schlafen schlecht. Im Wechsel halten wir die Stangen fest, wenn die Böen alles plattdrücken und bei jedem Regenguss wird es so laut, dass an Schlaf eh nicht zu denken ist.

 

Freitag, 4. Januar ´08

Marrakesch – Tiznit

273148 – 273495 Km

Als wir heute morgen beim ersten Tageslicht wach werden, ist der Platz mit Pfützen übersäht. Wir sind froh, nicht mit dem Zelt auf dem Boden zu stehen, denn die Franzosen uns gegenüber lagern komplett in einem See. Der Himmel ist noch immer sehr bewölkt und es sieht nicht so aus, als ob es in den nächsten Stunden besser wird.

In einer regenfreien Phase räumen wir schnell unser Dach ab und machen uns ohne Frühstück auf den Weg. An der Rezeption des Platzes wird uns erklärt, wie wir Marrakeschs Zentrum am besten durchs Neubaugebiet umfahren, um am südlichen Ende der Stadt anzukommen.

Leider ist dieses Gebiet noch sehr neu, die meisten Strassen sind noch nicht fertiggebaut und es gibt keine Hinweisschilder. Bei den Bauarbeitern müssen wir öfters nach dem Weg fragen, bis wir endlich an einer richtigen Hauptstrasse ankommen.

Bis nach Agadir haben wir etwa 180 Km durch Berglandschaft zu fahren, dann geht es nur noch am Meer entlang nach Süden.

Das Wasser steht teilweise so hoch auf der Straße, dass wir mit allen vier Reifen hohe Fontainen abschießen. Ist zwar eigentlich ganz lustig, doch leider sehen wir dadurch die tiefen Schlaglöcher nicht.

Bevor wir Agadir erreichen, müssen wir über den Hohen Atlas. Das Wetter ist immer noch sehr schlecht und die Berge sind verhangen. Unsere Straße ist schmal und kurvenreich, die Überholmanöver sind teilweise sehr abenteuerlich. Obwohl die Polizei den Verkehr in Marokko sehr gut kontrolliert, wird immer wieder gerast und an den unmöglichsten Stellen überholt.

Mittlerweile sehen wir immer mehr Fahrzeuge, die als Begleitung der Paris-Dakar-Rallye unterwegs sind. Die Wagen sind mit Aufklebern zugeklebt und kommen aus den unterschiedlichsten Ländern.

Etliche Kilometer später kommen wir in die Küstenebene, doch leider ist der Himmel noch immer verhangen und ab und zu regnet es heftig.

Wir lassen Agadir im Norden liegen und fahren in Richtung Tiznit. Mittlerweile ist der Verkehr schon wesentlich dünner geworden – wir nähern uns der Grenze zur Westsahara. Erstaunlicherweise sehen wir immer wieder Wohnmobile – in erster Linie Italiener und Franzosen, die hier das Winterhalbjahr verbringen.

Ohne Schwierigkeiten finden wir den Campingplatz, der malerisch direkt an der alten Stadtmauer liegt. Als wir dort ankommen, ist die Rezeption geschlossen. Ein Blick auf den Platz zeigt, dass hier alles komplett mit Langzeiturlaubern voll ist.

Wir warten ab und es findet sich ein winziger Platz in einem Eckchen hinter einer schützenden Mauer – zu klein für ein Wohnmobil, für unser Golfmobil aber genau richtig. Es ist noch immer sehr windig und wir sind froh, zwischen den ganzen dicken Mobilen zu stehen.

Unser noch feuchtes Zelt stellen wir zum trocknen aufs Dach und machen dann einen Stadtrundgang, um Lebensmittel zu kaufen.

Tiznit ist die bekannte Silberstadt in Marokko, doch wir finden die Preise unverschämt überteuert und haben keine Lust aufs Handeln.

Auf dem Rückweg setzen wir und in ein Straßencafé und bestellen uns Minztee. Erstaunt begutachten wir den Tee-Bausatz, den wir auf einem Tablett gebracht bekommen: eine große silberne Kanne mit heißem Wasser, vier leere Gläser, einen Haufen Minzekraut und vier riesige Klumpen Zucker!

Etwas ratlos sitzen wir da, bis ein freundlicher Mann vom Nachbartisch zu uns kommt und Anweisungen gibt: die Minze wird in das Kännchen mit dem heißen Wasser gestopft und erst mal ziehen gelassen. Dann wird die Flüssigkeit in die Gläser gekippt, zurück in die Kanne und ein paar Mal hin und her. Wenn alles wieder in der Kanne ist, wird viel Zucker dabei gemacht und wieder etliche Male hin und hergekippt. Die „Flugphase“ des Wassers soll dabei ziemlich weit sein. Wir trinken den starken Tee, bedanken uns für die Anleitung und gehen in der Abenddämmerung zurück zum Campingplatz. Nun ist die Rezeption geöffnet und ich gehe uns anmelden, während Peter kocht.

Später hören wir von unseren italienischen Nachbarn die aktuellen Nachrichten aus dem Radio: die Rallye Paris-Dakar ist abgebrochen worden! Durch massive Sprachbarrieren können wir leider kaum herausfinden, was denn nun wirklich los ist. Es gesellen sich immer mehr Leute zu unserer Diskussionsrunde und nach kurzem Palaver ist klar:

In Mauretanien sind vier Franzosen bei einem Überfall ums Leben gekommen, deshalb hat die französische Regierung die Veranstaltung abgebrochen. Wo genau – und was da passiert ist, wissen wir leider nicht und auch die Italiener können da nicht mehr sagen. Sie versprechen, uns am nächsten Morgen auf dem Laufenden zu halten, die Grenzen sind nach wie vor für den Tourismus geöffnet.

Wir diskutieren abends nach dem Essen über die Ausweichmöglichkeit Senegal, um nicht in den gefährlichen Osten Mauretaniens fahren zu müssen.

Wir studieren nochmals die Landkarten, schauen uns die großen – sicheren – Straßen an und nehmen uns fest vor, in Mauretanien nicht wild zu übernachten. Peter meint, wir sollen uns erst gar nicht zuhause melden, und wenn, dass wir denen irgendwas anderes erzählen sollen.

Den ganzen Abend können wir draußen sitzen, es hat aufgehört zu regnen und alles ist wieder trocken. Die Nacht wird mal wieder relativ kalt, doch wir stehen windgeschützt und daher ruhiger als in Marrakesch. Ich bin gerade eingeschlafen, da werde ich wieder wach, denn der Muezzin ruft direkt hinter uns von der Stadtmauer.

 

Samstag, 5. Januar ´08

Tiznit – Fort Bou Jerif

273495 – 273661 Km

Das erste, was ich heute morgen höre, als ich wach werde, ist schon wieder der Muezzin. Es wird gerade hell und da hier in Afrika die Nächte immer so lange dauern, ist an Schlaf nicht mehr zu denken.

Ich bleibe im Zelt und lerne unseren Reiseführer auswendig, bis es Morgen genug ist, um aufzustehen. Unser Zelt ist von beiden Seiten triefend nass: außen vom ziemlich intensiven Morgentau, innen vom Kondenswasser, denn wir hatten den Eingang in der Nacht ganz zu gehabt. Wir frühstücken, während alles trocknet. Unsere italienischen und französischen Wohnmobilnachbarn erkunden sich, ob wir in der Nacht warm genug gehabt haben. Während wir dann am Packen sind, bekommen wir aus allen Seiten die aktuellen Reise- und Sicherheitsinformationen. Die meisten Wohnmobilisten fahren nicht weiter in den Süden, denn ohne Rallye gibt’s da sowieso nur wenig zu sehen. Angeblich ist es für Nichtfranzosen kein Problem, durch Mauretanien weiterzufahren, jedoch wird geraten, dies im Konvoi zu tun.

Es ist noch sehr früh, als wir vom Platz rollen. Wir können uns heute Zeit lassen, denn wir haben nur eine kurze Etappe vor uns, die aber landschaftlich sehr schön sein soll.

In Tiznit müssen wir ziemlich gut aufpassen, denn die kleine Straße in Richtung Küste ist nicht besonders gut ausgeschildert. Freundliche Fußgänger helfen uns mal wieder weiter. Die nächsten Kilometer geht es durch eine einsame Berglandschaft, doch die kurvige Straße hat wesentlich weniger Verkehr als die Hauptstrasse, auf der wir bisher gefahren sind.

Nach etwa 130 Kilometern kommen wir nach Guelmim, wo normalerweise heute auch die Rallye Paris-Dakar gewesen wäre. Das große Dorf macht einen ziemlich ausgestorbenen Eindruck, auch wir fahren nur durch.

Der Campingplatz, den wir uns ausgesucht haben, liegt ziemlich weit ab vom Schuss – wir müssen noch 40 Kilometer ins Gelände fahren! Auf den ersten 32 Kilometern geht es über einen schmalen, asphaltierten Streifen. Vor uns fährt ein Oldenburger Bus und macht Geschwindigkeit, wir rasen mit 90 Stundenkilometern hinterher. Leider dauert es nicht lange, bis unsere Wege sich wieder trennen. Der Bus fährt auf dem vorhandenen Asphalt weiter in Richtung Strand, wir stehen vor einer ziemlich schlechten Piste mit tiefen Löchern.

Die folgenden acht Kilometer geht es nur noch langsam weiter. Mehr als 20-30 Stundenkilometer sind nicht drin, dafür ist die Strasse zu schlecht. Das erste, was wir nach einigen Metern auf der Piste sehen, ist eine überfahrene Puffotter!

Wir fahren unendlich lange durch die Hügellandschaft, dann sehen wir in weiter Ferne endlich unser Camp, das „Fort Bou Jerif“. Wir stellen uns auf den steinigen Platz, der relativ leer ist.

Wir bauen unser Zelt auf und gehen erst einmal Duschen. Das Waschhaus ist in einem erstklassischen Zustand, sauber und gepflegt. Ich genieße eine warme Dusche, dann gibt’s Nudelsuppe zum Mittagessen.

Es ist noch früh am Nachmittag, als wir die nähere Umgebung erkunden. Über eine schlechte Schotterpiste wandern wir zum tatsächlichen Fort Bou Jerif – einer alten Franzosenfestung, von der aber nur noch die Ruinen stehen.

Wir schlendern durch die alten Mauern und gehen anschließend runter zum Fluss. Der Pfad geht hier durchs Wasser, die Furt ist ziemlich tief.

Es wird schon dunkel, als wir wieder zurück zum Zelt gehen. Nach dem Abendessen setzen wir uns für ein Bier auf die Terrasse des Restaurants.

Im Laufe des Abends rollen noch weitere Fahrzeuge durchs Tor – alles Geländewagen! Wir unterhalten uns mit den anderen Reisenden über die Sicherheitslage im Süden und kommen zum Schluss, dass die Weiterreise nach Mauretanien unbedenklich ist.

Als wir in der Dunkelheit unser Auto suchen, stellen wir fest, da wir Nachbarn bekommen haben.

Ein Blick nach oben zeigt uns an einem wolkenlosen Himmel alle Sterne Afrikas, und außer dem Zirpen der Grillen ist hier nichts zu hören. Im Vergleich zu den vorherigen Nächten ist es heute Abend sehr mild.

 

Sonntag, 6. Januar ´08

Fort Bou Jerif – Laayoune Camp

273661 - 274109 Km

Irgendwann vor dem Morgengrauen werde ich wach, denn vor unserem Auto in der Dunkelheit jagen sich Hunde und Katzen. Es dauert eine zeitlang, bis ich nach dem ganzen Lärm wieder eingeschlafen bin, und als ich dann das nächste Mal wach werde, geht die Sonne vor unserem Zelt auf. Wir frühstücken, während das Zelt trocknet, dann fahren wir in den Süden. Wieder geht es über 9 Kilometer schlechte Piste zurück auf die Hauptstrasse. Außer uns ist noch niemand unterwegs, wir können uns im Gelände genügend Zeit lassen, den Golf schonend zu fahren.

Als wir auf der Hauptstraße nach Guelmim ankommen, herrscht dort reger Verkehr. Das Dorf sieht auf unserer Landkarte sehr klein aus, doch wir stellen während einer unfreiwilligen Stadtbesichtigung fest, dass es hier unheimlich viele unbeschilderte Straßen gibt. Ein Einheimischer ist so hilfsbereit und fährt mit dem Mofa vor uns her, um uns den Weg zu zeigen. Im Gespräch erzählt er uns, dass man mit einem Pack chinesischen Tee auf dem Armaturenbrett weniger Probleme hat, die mauretanische Grenze zu passieren. Wir verabschieden uns freundlich und fahren weiter.

Die Landschaft wird noch karger – Pflanzen sieht man hier kaum noch! Wir fahren mittlerweile wieder am Meer entlang, diesmal an einer Steilküste mit teilweise überhängenden Felsen. Die Abstände zwischen den Siedlungen sind sehr groß, oft etwa 100 Kilometer von Dorf zu Dorf.

Wir müssen noch einmal tanken, bevor wir in die Westsahara kommen. Glücklicherweise kann man hier fast überall mit Eurobanknoten bezahlen. Auf unserer Weiterfahrt in den Süden kommen wir jetzt schon an den ersten Sanddünen vorbei. Hin und wieder gibt es auch schon Verwehungen auf der Straße, aber bis jetzt fährt es sich noch ganz gut.

In einem kleinen Dorf halten wir an, um Wasser und Tee zu kaufen. Unser Auto wird von einem Haufen Kinder umringt, die ziemlich hartnäckig betteln und sich auch dann nicht abwimmeln lassen, als wir energisch werden. Mit Gewalt machen wir die Türen zu und rollen langsam durch die Kinderschar davon.

Einige Kilometer später haben wir die Abzweigung zu unserem nächsten Camp erreicht. Der „Le roi du Beduin“ liegt mal wieder vier Kilometer von der Hauptstrasse entfernt, wieder geht es über eine ziemlich schlechte Piste über die Hügel. Qualitativ noch schlechter als heute morgen zockeln wir im Schneckentempo über teil felsig-steinigen und teils sandigen Weg. Die Fahrspuren gehen oft so weit auseinander, dass wir uns nur mit Hilfe von Steinmännchen orientieren können, die im Gelände verteilt stehen. Irgendwann fahren wir über eine Düne und sehen in einer Senke Fahrzeuge stehen – das Camp ist erreicht. Wir stellen uns zwischen Engländer, Franzosen und Belgier und sind ins Gespräch vertieft, noch bevor unser Zelt auf dem Dach steht.

Die Engländer wollen dieselbe Strecke fahren wie wir, die Sicherheitslage wird mal wieder diskutiert. Die Anderen sind von unserem „Dachzelt“ beeindruckt und es wird mal wieder dunkel, bevor wir zum Abendessen kommen.

Ich entdecke auf unserem Tisch eine große, sandfarbene Spinne mit reflektierenden Augen, die auch die Aufmerksamkeit der Engländer auf sich zieht, die mit Zelten auf dem Boden schlafen. Wir ziehen uns relativ schnell in die sichere Höhe auf unser Auto zurück, auch Peter fühlt sich im Moment nicht so wohl auf dem Boden!

Wir sitzen in absoluter Dunkelheit auf unserem Golf und genießen einen erstklassigen Sternenhimmel an einem eher milden Abend.

 

Montag, 7. Januar ´08

Laayoune – Dakhla

274109 – 274679 Km

Wir werden mal wieder mit dem Sonnenaufgang wach und sehen zu, wie ein großer, roter Ball aus den Dünen aufsteigt. Nach dem Frühstück spüle ich schnell das Geschirr von gestern abend, dann packen wir zügig alles zusammen, denn wir haben heute eine weite Strecke vor uns.

Die Engländer, die dieselbe Route geplant haben, sind nicht so schnell wie wir unterwegs, wollen sich aber am Abend mit uns in Dakhla auf dem Camping treffen.

Der Rückweg zur Hauptstrasse gestaltet sich schwierig, denn bei der noch tief stehenden Sonne sind die Steinmännchen nur schwer zu erkennen und es scheinen mehr Wege von der Piste abzuzweigen als gestern. Mal wieder ist unser GPS eine große Hilfe, wir können unsere Route von gestern genau zurückverfolgen.

Relativ schnell erreichen wir den größeren Ort Laayoune, in dem wir die letzten Proviantbesorgungen machen können. Wir kaufen 80 Liter Trinkwasser und gehen auf die Bank Bargeld abheben. An der Tankstelle wollen wir unser Auto auftanken. Gerade damit angefangen, kommt der Tankmensch angesprungen, entreißt uns den Zapfhahn und tankt den Golf randvoll. Mit den 5 Kanistern kann er nichts anfangen, die müssen wir selber füllen. Am Ortsende werden wir von einer Straßenkontrolle angehalten – wir müssen unsere ersten „Fische“ abgeben.

Diese „Fische“ sind die eigentlich französischen fiches, auf denen alle Personalien von uns stehen, um die Passage etwas zu beschleunigen. In Westsahara und Mauretanien müssen die Kontrollposten die Personalien von den vorbeifahrenden Touristen aufnehmen, deshalb hatten wir schon zuhause alles aufgeschrieben und je 35 Kopien gemacht.

Diesmal will der Soldat auch ein Cadeau von uns haben, wir geben Seife ab. Er sagt, er möchte auch cadeaux für seine Kollegen, doch wir wollen nichts mehr rausgeben. Er will eine Flasche Wasser haben, und da bei uns hinten im Auto alles damit voll liegt, können wir das nur schwer ablehnen und geben eine raus. Er winkt uns freundlich nach und ich fahre irritiert weiter.

Die nächsten Kilometer sind nicht sehr abwechslungsreich und eher öde – reine Kilometerfresserei. Neben der Straße sehen wir immer wieder Kamelherden weiden, wir haben uns den „kleinen Nils“ als MP3 eingelegt, um Abwechslung zu haben.

Meistens ist die Straße relativ weit vom Meer entfernt, doch wenn wir mal an der Küste sind, haben wir beeindruckende Ausblicke. Bis wir endlich Stunden später Dakhla erreichen, passieren wir noch zahlreiche Kontrollen und geben unsere „Fische“ aus.

Die Halbinsel ist wunderschön: überall große Sanddünen, teilweise flache Lagunen und grün-blaues Meer! Der Campingplatz liegt außerhalb vom Dorf direkt am Meer und ist nicht sehr voll. Wir stellen uns ganz an den Rand ins „deutsche Eck“ – unsere Nachbarn sind nicht zuhause.

Eigentlich wollen wir heute Abend mal essen gehen, doch das Restaurant hat leider wegen Umbau geschlossen, also gibt es die guten, alten Nudeln. Unser Wasser füllen wir in die Kanister um, so haben wir wieder mehr Platz im Auto.

Später unterhalten wir uns mit unseren Nachbarn und erfahren, dass sie Teilnehmer einer Rallye in Mauretanien waren und nun mit Getriebeschaden nach Marokko abgeschleppt worden sind, um das Auto hier verschrotten zu lassen. Wir unterhalten uns noch lange und erfahren später von anderen Deutschen, dass die Engländer nicht mehr kommen, weil sie die Etappe nicht geschafft haben. Außerdem haben sie sich entschieden, in den Senegal auszuweichen, so dass sie sowieso eine andere Strecke fahren.

Es ist relativ warm und mal wieder haben wir den Sternenhimmel über uns, als wir schlafen gehen – zusammen mit dem Rauschen der Wellen hinter uns am Strand.

 

Dienstag, 8. Januar ´08

Dakhla – Grenze nach Mauretanien

274679 – 275045 Km

Mal wieder werde ich kurz vor dem Sonnenaufgang wach. Als es hell wird, frühstücken wir und packen alles zusammen. Unsere Siegener Nachbarn bleiben heute noch den ganzen Tag hier auf dem Platz, denn ihr Flugzeug nach Casablanca geht erst morgen und Alternativen gibt es auf der Halbinsel von Dakhla nur wenig. Ihr Auto wird hier dem ADAC übergeben und kostensparend verschrottet. Die Vier geben uns noch einen Teil ihrer nicht mehr benötigten Lebensmittel ab, als wir uns verabschieden.

Vom Platzbesitzer erfahren wir, dass es keinen Sinn macht, heute noch die Grenze nach Mauretanien zu überfahren – wir sollen vor Ort übernachten und es dann in aller Früh versuchen, dann wären die Bedingungen günstiger.

Wir rollen los und stellen fest, dass heute kaum jemand unsere vorgefertigten „Fische“ haben will. Der Grenzposten von Dakhla kennt uns noch von gestern und winkt uns einfach durch. Auch die nächsten beiden Kontrollen wollen nichts von uns wissen, so dass wir zügig weiterkommen.

Auf der Hauptstrasse nach Süden gibt es nur sehr wenig Verkehr – wir befinden uns wohl in einer Art Sackgasse. Die Strecke bis zur Grenze beträgt knapp 400 Kilometer, die Landschaft ist leider nicht besonders abwechslungsreich. Wir sehen Kamele, Kamele, Kamele und Sand!

Als wir am Straßenrand Pause machen, treffen wir zwei Franzosen, die auch nach Bamako wollen. Die beiden wirken sehr unsicher und haben Bedenken, Mauretanien zu durchqueren. Nach einem kurzen Informationsaustausch verabschieden wir uns und fahren weiter. An der letzten Tankstelle füllen wir noch einmal unseren Tank mit bleifreiem Sprit auf, dann geht’s in Richtung Niemandsland.

Die letzten 200 Kilometer vor der Grenze sind Minengebiet – hier darf man sich noch nicht einmal zum Pieseln von der Straße wegbewegen. Noch immer sehen wir unzählige Kamele durch die Landschaft ziehen, die scheinen wohl sehr trittsicher zu sein oder einen siebten Sinn zu besitzen, wir haben noch keins explodieren gesehen!

Wir kommen im letzten Dorf von Marokko an: Gueguerat, nur eine große, marode Kaserne in öder Landschaft. Auf der linken Straßenseite sehen wir den berühmten Parkplatz „Camping La Poubelle“, auf dem früher die großen Konvois übernachteten. Der Platz macht seinem Namen alle Ehre und große Müllberge laden nicht gerade zum verweilen ein. Es ist noch relativ früh, als wir um 15.00 Uhr an der Grenze ankommen.

Direkt am Zaun steht ein Hotel mit einem großen Parkplatz, hier entschließen wir uns, die Nacht zu verbringen. Ich esse im Restaurant mal wieder das vegetarische Tajine, während Peter den Fisch probiert. Im Moment sind wir hier die einzigen Gäste und verspeisen gerade unser Mahl, als ein kompletter Franzosenkonvoi auf der Hauptstrasse vor uns vorbeizieht. Wir erkennen unsere beiden Bekannten von eben wieder, die sich der Gruppe angeschlossen haben, um heute noch Nouadhibou zu erreichen. Der Nachmittag ist sehr ruhig – wir sitzen bis zum Sonnenuntergang im Schatten und schauen den wenigen Fahrzeugen zu, die heute Nachmittag noch die Grenze passieren. Andere Ausländer sehen wir außer den Franzosen aber keine. Offensichtlich sind wir morgen früh auf uns alleine gestellt, es gesellt sich niemand mehr zu uns.

Schade, es wäre für uns wahrscheinlich einfacher gewesen, wenn wir erfahrene Grenzgänger bei uns gehabt hätten.

Gegen Abend wird es sehr windig und unangenehm, so dass ich nicht unbedingt scharf drauf bin, auf dem Parkplatz auf unserem Golf zu übernachten. Als es dann dunkel wird, haben wir eine Entscheidung getroffen: jeder Platz am Straßenrand ist gemütlicher als der beleuchtete Parkplatz des Hotels.

Wir drehen um und fahren die 5 Kilometer zum „Poubelle“ zurück, denn vom Straßenrand dürfen wir ja sonst nicht abweichen. Es ist schon dunkel und wir sehen den ganzen Müll nicht, außer uns scheinen hier nur die regionalen Taxifahrer zu übernachten.

Da es noch immer sehr windig draußen ist, ziehen wir es vor, im Golf zu übernachten. Ab und zu kratzen wilde Hunde auf der Suche nach Fressen an unserem Auto, ansonsten wird die Nacht ruhig und mal wieder lang.

 

Mittwoch, 9. Januar ´08

Grenze Mauretanien – Nouadhibou

275058 – 275118 Km

Ich werde heute morgen im Dunkeln wach und sehe zu, wie es langsam hell wird. Im Morgengrauen verschwinden die wilden Hunde, wir putzen die Zähne und fahren mit den ersten Sonnenstrahlen zurück an die Grenze. Als wir an den Grenzzaun kommen, geht gerade ein Zollbeamter an uns vorbei in Richtung Hotel, um sich sein Frühstück zu holen. Er sagt uns, dass es noch ein paar Minuten dauert, bis die Grenze öffnet. Wir stehen jetzt als viertes Auto in der Wartereihe – schnell wächst die Schlange nach hinten.

Hier sind jetzt schon viele Nationalitäten versammelt, mal sehen, wer noch so alles kommt. Mit einer Stunde Verspätung macht die Grenze auf, war wohl ein ausgedehntes Frühstück.

Wir füllen die Ausreiseformulare aus, geben die Pässe ab und reihen uns in das allgemeine Chaos ein. Nun heißt es – zusammen mit vielen anderen Einheimischen und Touristen – warten, bis die Formalitäten erledigt sind. Es gibt nichts zu tun, wir hängen rum, lesen, warten... . Nach über einer Stunde Wartezeit sind wir die Ersten, die weiterrollen dürfen – aber nur bis zum nächsten Kontrollpunkt. Es gibt Probleme, das Chaos ist perfekt.

Bei der Einreise nach Marokko hat Peter das Auto in seinen Pass eintragen lassen, in den Fahrzeugpapieren steht aber dummerweise mein Name. Für die marokkanischen Behörden nicht möglich. Wir versuchen ihnen klar zu machen, dass wir ja verheiratet sind und so in Deutschland alles beiden gehört – für marokkanische Verhältnisse auch undenkbar! Auch der Vorschlag, denselben Stempel auch in meinen Pass zu machen, stößt zuerst auf wilde Diskussionen, schließlich können doch nicht zwei unterschiedliche Leute denselben Stempel im Pass haben. Eine Lösung muss gefunden werden, wir können schließlich nicht hier bleiben. Nach etlichen Wortgefechten einigen wir uns darauf, dass wir als Ehepaar eine Einheit bilden, also auch dieselbe Nummer haben können, der Pass wird gestempelt - beide Seiten sind erleichtert, eine Lösung gefunden zu haben!

Wir rollen weiter und werden kurz vor Ende des Asphalts nochmals angehalten. Hier ist Zoll, und die Beamten wollen wissen, ob wir etwas ausführen. Normalerweise wird hier wohl der Inhalt des Autos kontrolliert, doch die Männer schrecken wohl vom Chaos im vollgestopften Auto zurück, sehen sich nur die Pässe an und wir dürfen losziehen.

Da wir relativ früh an sind, haben wir auch keine anderen Autos vor uns. In der Ferne sehen wir einen LKW über den Schotterweg holpern. Kaum sind wir im Niemandsland angekommen, will sich doch tatsächlich jemand als Führer anbieten, um den richtigen Weg über die zugegebenermaßen schlechte Piste zu finden. Wir lehnen dankend ab und rücken dem LKW dichter auf die Pelle, da er sich ja als Einheimischer recht gut auskennen muss.

Eine gute Entscheidung, wie wir viel später zu hören bekommen: die „Führer“ verdienen gutes Geld damit, Touristen in Sandlöcher zu locken und dann für viel Geld zu „retten“.

Überall sehen wir Autowracks – teils Opfer von Minen und teils einfach auf der großen, kostenlosen Deponie Niemandsland entsorgt!

Die Angaben in unserem Därr-Reiseführer stimmen nicht mehr, der mauretanische Grenzposten PK 55 wurde etwas weiter ins Niemandsland verlegt – wir haben es schon nach etwa 4 Kilometer schlechter Piste geschafft!

Nun stehen wir also direkt vor der mauretanischen Grenze und warten gespannt. Wir haben schon so viel – leider in erster Linie Schlechtes – über diesen Grenzübergang gehört, dass unsere Nerven ziemlich angespannt sind.

An der ersten Bude kommen wir direkt mal zum Zoll, wo uns der Beamte von außen in sämtliche Türen guckt. Der Mann ist freundlich und staunt über unsere Ladekapazitäten. Als nächstes geht es weiter zum Polizeigebäude. Wir haben unser Visum schon, bekommen nur die Stempel in die Pässe und bezahlen dafür mit Seife und einer Flasche Trinkwasser. An der nächsten Hütte ist dann wieder Zoll. Die Männer wollen die Papiere fürs Auto sehen – keine Rede vom teuren „Laisser Passé“. Statt dessen muss ich eine „Declaration d’honneur“ ausfüllen, eine Ehrenerklärung, dass wir das Auto in Mauretanien nicht verkaufen werden.

Nun – denken wir – haben wir alle Hürden hinter uns gebracht, doch es geht noch weiter. Ein Mann kommt zu uns und erzählt uns irgendwas von „Tourismus“, doch leider verstehe ich nicht, was er von uns will. Dann erscheint ein weiterer Mann mit Turban, der sehr freundlich ist und fließend englisch spricht. Er hilft uns durch das weitere Behördenchaos. Wir brauchen noch eine Autoversicherung, die für 10 Tage 10 Euro kostet, dann müssen wir an der Grenze noch ganz legal Geld wechseln, weil wir die Wechselbelege bei der Ausreise brauchen.

Plötzlich fängt ein neuer Zollbeamter wieder damit an, dass er unser Gepäck kontrollieren will. Diesmal haben wir jemand, der seine Arbeit sehr gründlich machen will, er öffnet den vollgestopften Kofferraum und will in die letzten Ecken sehen. Er fragt mich nach Wein, und da er gerade in der richtigen Ecke stöbert, gebe ich freiwillig zu, dass wir eine Flasche dabei haben. Wir werden darüber aufgeklärt, dass das verboten ist, und dass wir die Flasche abgeben sollen, doch gerade in diesem Moment kommt ein Ranghöherer dazu und meint, dass alles in Ordnung sei, wir könnten weiterfahren – Mauretanien sei schließlich ein freundliches Land!

Unser englischsprechender Helfer entpuppt sich als „Ali“ von unserem ausgesuchten Campingplatz, drückt uns eine Visitenkarte mit Lageplan in Nouadhibou in die Hand und verabschiedet sich bis zum Abend.

Von den letzten Eindrücken fast erschlagen fahren wir schweigend mit Wein, Bier und Baileys im Gepäck weiter. Die zweitgrößte Stadt von Mauretanien liegt zwar nur 26 Kilometer hinter der Grenze, doch bis wir dort ankommen, haben wir noch 4 Polizeikontrollen zu passieren. Alle sind sehr freundlich, nehmen unsere „Fische“, und keiner fragt nach einem Cadeau.

In Nouadhibou erwartet und dann das übliche, afrikanische Stadtchaos, alles kommt aus allen Richtungen: Autos, Eselskarren, Ziegen, Hunde und Menschen.

Wir sind das glücklicherweise schon vom Radfahren her gewöhnt und fahren ohne Schwierigkeiten durch die Stadt. Der Fahrstil hier in Mauretanien ist dennoch gewöhnungsbedürftig: offensichtlich ist jeder davon überzeugt, Vorfahrt zu haben – durchschaubare Verkehrsregeln gibt’s hier nicht. Trotzdem passiert unheimlich wenig, der Verkehrsteilnehmer scheint rundherum aufmerksame Augen zu haben.

Dank GPS und Koordinaten finden wir dann auch unseren Campingplatz – ein unscheinbares Metalltor direkt an der Hauptstraße. Bei genauerem Hinschauen sehen wir auch ein kleines Hinweisschild, als wir genau vor dem Tor stehen.

Wir fahren in den leeren Innenhof – außer uns wohnt hier nur ein Spanier, der mit dem Rucksack durchs Land reist. Unter dem einzigsten Baum im Hof finden wir Schatten für den Golf.

Wir nehmen ein sehr verspätetes Frühstück zu uns und sehen uns die Stadt an. Direkt neben dem Camping befindet sich ein Internet-Café, zwar sehr langsam, aber ausreichend, um in einer halben Stunde die Neuigkeiten nach Deutschland zu senden, aber natürlich nicht alle.

Obwohl es laut Därr nicht so ganz sicher ist, sich als Tourist entfernt der Hauptstraße zu bewegen, wollen wir uns die Seehunde am 5 Kilometer entfernten Kap ansehen. Wir kommen auch fast bis dorthin, werden aber im letzten Moment von einem Polizeiposten gestoppt und darüber aufgeklärt, dass das nicht sicher ist, was wir hier machen. Er sagt uns, dass ein Taxi bis in die Stadt zurück 200 UM kostet und dass wir hier am Straßenrand auf eins warten sollen. Ziemlich schnell hält ein Pick-up vor uns und der Fahrer macht uns die Tür auf. Wir müssen den Weg zum Camping erklären – ziemlich ungewöhnlich bei einem Taxi – und werden direkt vor dem Tor abgesetzt. Als wir bezahlen wollen, winkt der Fahrer ab, sagt, er sei kein Taxifahrer und verabschiedet sich freundlich von uns. Überrascht bedanken wir uns – unsere Meinung von Mauretanien hat sich heute erheblich gebessert.

Peter geht Obst und Eier einkaufen, während ich unser Schlafzimmer einrichte. Den Rest des Nachmittags verbringen wir im Hof, sitzen mit den Landkarten im Sand und unterhalten uns mit dem Spanier. Er kennt sich sehr gut in Mauretanien aus und klärt uns darüber auf, dass der Anschlag auf die Franzosen in einem Dorf war, das direkt auf unserer Strecke in denn Osten liegt. Seiner Meinung nach ist es sicher, im Konvoi mit anderen Autos zusammen zu fahren.

Noch während wir im Sand sitzen, kommt eine komplette Kolonne Franzosen angefahren, 5 Autos – und etwas später auch noch ein Belgier. Der kleine Innenhof wird sehr voll, wir rutschen so lange zusammen, bis alles passt.

Als es dunkel wird, wird es auch wieder kalt. Die Temperaturschwankungen von fast 30° machen uns zu schaffen. Wir verbringen einen eher ruhigen Abend und gehen früh schlafen, der Tag war sehr ereignisreich!

 

Donnerstag, 10. Januar ´08

Nouadhibou – Nouakchott

275118 – 275595Km

Unglaublich – ich werde heute morgen schon um 6.00 Uhr wach, da die Muezzins aus allen Richtungen Allah anrufen, und zwar eine Stunde lang. Ich kann nicht mehr schlafen, bleibe aber im Zelt hocken, denn draußen ist es noch dunkel. Gegen 7.00 Uhr werden dann auch die Franzosen mobil und wir klettern kalt und steif vom Dach, um zu frühstücken.

Zwei Stunden später sind wir abreisebereit und verabschieden uns von den Anderen. Unser Weg führt durch die Stadt zurück zur Hauptstraße, und an der ersten Polizeikontrolle werden wir auch schon angehalten. Wir reichen unsere „Fische“ zum Fenster raus, der Polizist fragt freundlich, ob wir nicht zufällig auch noch ein cadeau aus Deutschland haben. Wir geben einen Kalender ab und werden in die Wüste entlassen.

Hinter uns auf der Straße sehen wir noch ein französisches Wohnmobil, ansonsten haben wir die nächsten 300 Kilometer fast für uns ganz alleine. Zuerst sehen wir noch Zelte am Straßenrand, doch je weiter wir uns von der Stadt entfernen, umso dünner wird die Besiedlung und schon bald sehen wir nur noch Sand, Trockensteppe und Kamele. Die großen Sanddünen sind hier dicht auf beiden Seiten der Straße, doch unser Weg ist frei. So wie es aussieht, wird die neue Asphaltstraße regelmäßig mit Planierraupen vom feinen Sand befreit.  

Je weiter wir nach Süden kommen, umso stärker weht auch der Wind. Flugsand lässt die Sicht ziemlich schlecht werden, wir kommen uns vor wir auf einem anderen Planeten.

Am Straßenrand sehen wir ab und zu „Restaurant-Zelte“, in denen Speisen und Kamelmilch angeboten werden. Auf der gesamten Strecke bis Nouakchott gibt es zwei Tankstellen, doch so richtige Dörfer sehen wir eigentlich keine. Nach etlichen Dünen und viel Flugsand kündet eine Polizeikontrolle die Nähe der mauretanischen Hauptstadt an. Hier möchte man wieder unsere „Fische“ haben, auch nach einem cadeau wird gefragt, wenn auch eher zaghaft. Gerne geben wir wieder einen Kalender raus und fragen nach einer Campingunterkunft. Wir sollen einfach immer nur in Richtung „centre ville“ fahren! Nun ja, klingt recht abenteuerlich, wird aber schon irgendwie passen.

Straßenschilder gibt es in der ganzen Hauptstadt keine, dafür gibt es aber sehr breite Straßen und das Gewimmel ist nicht so dicht und unübersichtlich wie in Nouadhibou.

Irgendwann, nach etlichen Verkehrskreiseln – in denen wir immer nach Gefühl abgefahren sind – haben wir die Hoffnung schon fast aufgegeben, da taucht die „Auberge“ wie aus heiterem Himmel vor uns auf! Erleichtert hupen wir vor dem Tor und werden auch sofort in den ummauerten Innenhof eingelassen.

Außer uns sind hier noch ein französischer Radfahrer, der aber gerade abreist, und ein italienisches Pärchen mit einem VW-Bus.

Der freundliche Platzbesitzer begleitet mich nochmals nach draußen, um eine mauretanische SIM-Karte für mein Handy zu kaufen. Wieder beweisen die Mauretanier, dass sie auch sehr freundlich sein können – doch ich wundere mich: auf der Straße hier sieht man keine Frauen! Im Laden werde ich sehr freundlich bedient und kaufe auch noch Fladenbrot, bevor wir zurückgehen. Nach dem Abendessen gehe ich duschen und komme in den Genuss von glühend heißem Wasser!

Es ist zwar erst früher Nachmittag, doch für uns gibt es nicht sonderlich viel zu tun. Es ist nicht ratsam, durch die Stadt zu wandern, und das Konsulat von Mali – falls es dieses noch gibt – hat jetzt auch schon geschlossen. Wir erfahren vom Platzbesitzer, dass man Beamtengänge hier am Besten morgens um 9.00 Uhr macht, doch ob es die Botschaft noch gibt, kann er uns auch nicht sicher sagen. Unsere italienischen Nachbarn können keine andere Sprache, so dass eine längere Unterhaltung nicht möglich ist.

Als wir schlafen gehen, stellen wir erleichtert fest, dass die Moscheen heute Abend etwas weiter von uns entfernt sind, folglich sind die Aussichten auf eine ungestörte Nachtruhe gut.

 

Freitag, 11. Januar `08

Nouakchott – Kiffa

275592 – 276195 Km

Es ist 6.00 Uhr und mal wieder habe ich mich getäuscht. Unser Morgen fängt in noch tiefschwarzer Nacht mit dem lautsprecherverstärkten Rufen von unzähligen Muezzins an. Und die hören für lange Zeit auch gar nicht mehr auf damit – an rumdrehen und weiterschlafen ist gar nicht zu denken!

Ich lese, bis es auch Peter nicht mehr im Schlafsack aushält, dann krabbeln wir vom Dach. Brot gibt es um diese Uhrzeit noch nirgends zu kaufen, also müssen wir mal wieder auf unser gutes, altes Vollkorndosenbrot zurückgreifen, von dem ich später in Deutschland für lange Zeit nichts mehr wissen will.

Während wir am Essen sind, treffen wir unsere Entscheidung für den heutigen Tag: keiner von uns hat Lust, nur wegen dem Visum noch einen Tag länger hier in der Stadt rumzuhängen, und wir wissen ja auch nicht, ob es hier ein Visum von Mali überhaupt gibt. Statt dessen wollen wir einfach weiterfahren und unser Glück an der malischen Grenze versuchen – die werden uns schon nicht wieder zurückschicken, da bin ich mir ziemlich sicher!

Da wir heute morgen so früh auf sind, können wir die Riesenetappe in Richtung Osten in Angriff nehmen. Andere Mitreisende für einen Konvoi haben wir hier keine getroffen, also muss es auch alleine gehen. Unser Weg führt heute direkt durch das Dorf Aleg, wo zum Jahreswechsel die Franzosen ermordet wurden. Wir entscheiden, dass dieses Attentat eine einmalige Sache war.

Doch bevor wir auf die Oststraße fahren, müssen wir uns erst mal nach dem Weg erkunden. Wir erfahren, dass alle Männer vom Camp außer Haus sind – die Frauen kennen sich auf den Straßen nicht aus. Nachdem wir uns freundlich von den Frauen verabschiedet haben, fahren wir auf eine Tankstelle, um nochmals vollzutanken, denn wir wissen nicht, was heute noch alles passiert. Die Männer hier kennen sich aus und wir finden ohne Probleme durchs Straßengewirr direkt die Oststraße.

Der Verkehr in der Großstadt ist beeindruckend: Autos kommen ohne Rücksicht auf andere von allen Seiten, und auch Fußgänger, Radfahrer und Tiere drängen sich noch dazwischen. Keiner guckt und jeder bewegt sich vorwärts – ein Wunder, dass nichts passiert!

Auch ein Wunder, dass wir ein paar Minuten später die Hauptstadt ohne große Zwischenfälle verlassen haben!

Nun geht es auf der „Straße der Hoffnung“ weiter. Die einzige Ostverbindung in Mauretanien ist durchgehen asphaltiert. Zwar liegt öfters mal Dünensand auf der Straße, aber es ist nie so schlimm, dass der Golf ernsthaft Probleme damit hat. Größere Schwierigkeiten haben wir mit den Tieren: reifenbeißende Hunde und suizidgefährdete Schafe und Ziegen machen uns das Leben schwer und steigern die Adrenalinabgabe. Bei Kühen und Kamelen muss man definitiv bremsen, da zieht man den Kürzeren. An beiden Straßenrändern sehen wir unzählige überfahrene Tiere liegen, glücklicherweise tragen wir nichts dazu bei!

Es ist nur sehr wenig Autoverkehr zu sehen, die Strecke ist fast durchgehend mal mehr, mal weniger stark besiedelt. Am Anfang sehen wir Dünen in allen Größen und Farben, später wird die Region felsiger. An den häufigen Polizeiposten werden wir unsere „Fische“ los, hier und da auch mit einem zaghaft erfragten „cadeau“.

Irgendwann sind wir dann zufällig mit Holländern in so einer Art Konvoi unterwegs; die fahren im Schnitt schneller, haben aber keine „Fische“, so dass wir bei den Kontrollen schneller durch sind.

Später dann in einem kleinen Felsriegel die „Fast-Katastrophe“: hier hat sich der Asphalt zu dermaßen starken Spurrillen verzogen, dass ein Fahren ohne Aufsetzen fast unmöglich ist. Peter gerät mit hoher Geschwindigkeit in die Spur, das Resultat ist nicht zu überhören: es knallt, nach einer kurzen Flugphase kommen wir am rechten Straßenrand zum Stehen. Die Holländer sind hinter uns, haben mit ihrem hohen Geländewagen keine Probleme, halten aber trotzdem an, um zu fragen, ob bei uns alles o.k. ist.

Gemeinsam schauen wir nach: die Ölwanne hat eine tiefe Schramme, ist aber noch dicht, die Ablass-Schraube haben wir glücklicherweise verfehlt! Unter dem Auto hat sich ein Querholm verzogen und beim sowieso schon lädierten Auspuff den Endtopf abgeschlagen, wir sind zwar nun lauter, ist aber nicht so schlimm. Das größte Problem ist der Benzinfilter, der sich durch den umgeschlagenen Querholm etwas von der Benzinleitung gelöst hat und nun undicht ist. Es tropft, aber hier an der Strasse können wir nicht bleiben, zu unsicher. Der Golf ist ja noch fahrbar, also geht es nun mit höherem Spritverbrauch und wesentlich lauter und langsamer auf die letzten 100 Km bis nach Kiffa. Bei der nächsten Polizeikontrolle bleiben die Holländer mal wieder hängen, wir rollen langsam weiter und treffen uns erst bei der Auberge im Dorf wieder.

Während Peter ohne wirklichen Erfolg im Halbdunkeln an der Benzinleitung rumbastelt, unterhalten wir uns mir den Anderen. Auch sie wollen über Ayoun nach Mali fahren, versuchen aber, Bamako im Laufe eines Tages zu erreichen.

Wir müssen zuerst im Dorf unsere Benzinleitung reparieren lassen – unmöglich, dann noch 800 Km an einem Tag zu durchfahren!

Bis wir dazu kommen, das Zelt aufzubauen und Essen zu kochen, ist es schon schwarze Nacht. Wir genießen ein chinesisches 1000-Sterne-Fertig-Menue, anschließend eine erstklassige, heiße Dusche und dann unser wohlverdientes Nachtlager. Glücklich und rundherum zufrieden liegen wir in unseren Schlafsäcken und lauschen den Kamelen, die uns in den Schlaf brüllen.

Viel später werde ich durch Motorengeräusche wieder wach, als ein Geländewagen mit französischer Nummer neben und im Sand ausrollt. Schnell schlafe ich wieder ein.

 

Samstag, 12. Januar ´08

Kiffa – Nioro

276195 – 276603 Km

Soviel zum Thema Nachtruhe: es ist mal wieder 6.00 Uhr, die benachbarte Koraschule fängt mit ihrem Unterricht an. Die Schüler singen so inbrünstig, dass wir keine Chance zum weiterschlafen haben! Als die Sonne aufgeht, klettern wir aus dem Zelt. Der Tag fängt gut an: ich lasse mich rückwärts vom Dach gleiten und lande barfuss in einer Wüstendorne. Laut fluchend setze ich mich auf den Sand und fische den langen Dorn aus meiner Fußsohle. Wir frühstücken, ein weiterer Versuch, die Benzinleitung abzudichten, endet erfolglos. Wir brechen tropfend auf und finden am Rand der Hauptstraße eine „Werkstatt“. Unser Retter verschwindet mit Peter fast eine Stunde lang komplett unter dem Golf, während ich gnadenlos von Kindern bedrängt werde.

Irgendwann tropft nix mehr, unser Helfer bekommt ein T-Shirt und einen leeren Benzinkanister, die Kinder Schulhefte und Dauerschreiber. Nachdem wir uns herzlich verabschiedet haben, geht es weiter. Die Straße wir immer schlechter und wir sehen wesentlich mehr Tiere als Autos. Teilweise sind die Schlaglöcher im Asphalt etwa einen Meter tief, fatal, da drin zu landen!

Dort, wo Regenfälle die Straße unterspült haben, ist der Asphalt einfach ins bodenlose abgebrochen – hier wird dem Fahrer höchste Aufmerksamkeit abverlangt!

Als wir vor dem Ort Tintane ankommen, ist der Asphalt plötzlich zu Ende. Der freundliche Polizist an der Straßensperre fragt uns nach einem Cadeau und erklärt uns den Weg durch das Dorf (?).

Schon während der ersten Meter durchs Dorf bekommen wir eine Ahnung, wozu die ausführliche Streckenbeschreibung gut ist: im Dorf ist Markt, hier herrscht Chaos und Stau! Wir klemmen zwischen Eselskarren, Ziegen und anderen Autos fest und es wird unerträglich heiß. Abzweigungen sind in dem Gewimmel kaum zu erkennen, denn alle scharen sich um uns und starren ins Auto.

Irgendwann kommen wir an eine Kreuzung ohne Schilder – natürlich wählen wir falsch und müssen umdrehen. Noch mehr Chaos im Gewimmel! Irgendwie kommen wir doch rum und werden dann in die richtige Richtung geleitet, wieder Polizei – dann kommen wir wieder auf die Piste. Der Asphalt verschwindet unter unseren Reifen und wir stehen vor einer Sandpiste mit teilweise extrem unebenen Stellen.

Der Golf fräst sich durch den losen Sand, lässt uns nicht im Stich. Zwischendurch kommt Wellblech, es schüttelt uns den Staub aus den tiefsten Ritzen. Sogar ein Pfennig taucht aus der Ritze vom Beifahrer-Airbag auf. Im Golf ist es so laut, dass jeder Versuch eines Gesprächs vergeblich ist. Ich fürchte um die Stabilität der Karosserie!

Irgendwann haben wir die Ortsumgehung dann hinter uns gebracht und treffen auf eine krachneue Asphaltstraße. Nicht viel später müsse wir wieder anhalten, um zu tanken. Im allgemeinen Treiben haben wir heute morgen nur einen Kanister ins Auto gekippt, jetzt ist der Tank leer.

Während wir zwei Kanister ins Auto kippen, fährt ein Auto mit Regensburger Exportnummer an uns vorbei. Eine kurze fragende Geste, ob alles in Ordnung sei – wir winken, dann sind wir wieder alleine. Nur zwei Kamele leisten uns Gesellschaft, während wir tanken.

Gut gelaunt mit einem fast vollen Tank rollen wir nach Ayoun-el-Atrous. Dort kommt dann schlagartig die Ernüchterung:

Der Polizeiposten hier ist gleichzeitig auch der Grenzposten von Mauretanien und der Diensthabende scheint uns nicht zu mögen. Zuerst werden ganz normal unsere Pässe kontrolliert, dann rücken wir unsere „Fische“ raus. Als nächstes will er unser Gepäck kontrollieren. Wir öffnen den vollgestopften Kofferraum, der Zöllner guckt rein und behauptet, wir hätten zuviel Gepäck. Als nächstes will er eine „Gepäckdeklaration“ sehen, die es natürlich nicht gibt. Wir sagen das auch, und der Zöllner geht mit unseren Pässen in seine Bude. Wir warten – nix passiert!

Auf meine höfliche Frage, was denn nun sei, bekomme ich als Antwort, dass er eine Gepäckdeklaration sehen will. Mehr sagt er nicht, wir warten weiter. Als die Warterei zu lange wird, gehe ich zum Auto und packe auf der Straße Essen und Trinken aus. Unser verärgerter Zöllner kommt aus seiner Bude gesprungen und blafft mich an, was das denn jetzt soll. Ich sage, dass wir Hunger haben, und da es ja sowieso nicht weiter geht, essen wir eben hier.

Nach unserem Essen gehe ich zur Bude und frage nach, was er denn weiter vor hat. Wieder bekomme ich als Antwort, er bräuchte eine Gepäckdeklaration, damit er sieht, was wir alles im Auto haben.

Ich werde laut, greife zu meinem Handy, dass eh nicht funktioniert und tue so, als würde ich telefonieren. Der Zöllner redet wütend in französisch auf mich ein. Peter und ich tun so, als würden wir uns laut auf deutsch beschimpfen und fangen an, unser Gepäck im hohen Bogen mitten auf die Straße zu werfen. Auch nicht richtig! Der Zöllner brüllt uns an, wir sollten gefälligst damit aufhören und zu ihm in die Bude kommen. Mit Unschuldsmiene fragen wir nach seinem Problem – er wollte doch das Gepäck sehen, also laden wir es für ihn aus.

Die vorbeifahrenden Autos müssen einen Bogen um unseren Haufen fahren; wir bekommen die Pässe hingeknallt und werden ziemlich unfreundlich aufgefordert, die Kreuzung mit unserem Kram so schnell wie möglich zu verlassen!

Na also, geht doch! Die Aktion hat uns eine Stunde Zeit gekostet, und wenn das bis zur Grenze so weitergeht, kommen wir erst im Morgengrauen in Mali an.

Wir machen uns die Sorgen ganz umsonst, die letzte Kontrolle in Mauretanien ist sehr freundlich und die Ausreiseformalitäten werden schnell und problemlos erledigt. Auffallend an der Grenzstation sind die vielen, energisch bettelnden Kinder, die mich im Auto umringen, während Peter in der Zollbude ist. Ein Beamter kommt raus und scheucht die Horde weg – ich kann ein Fenster im kochend heißen Auto öffnen und atme durch.

Als wir mit den Formalitäten fertig sind, gebe ich dem Beamten eine Tüte Kugelschreiber für die Schule und ihm Seife für seine Freundlichkeit. Wir verabschieden uns herzlich und ziehen weiter ins Niemandsland.

Es ist schon 17.00 Uhr, als wir an der Grenze zu Mali ankommen. Autoversicherung gibt es um diese Uhrzeit keine mehr, aber wir bekommen unser Monatsvisum für nur 30 Euro pro Person – wesentlich günstiger als in Berlin!

Während Peter in der Bude die Formalitäten erledigt, stelle ich mich draußen zu den anderen Beamten ans Feuer. Einer will wissen, ob wir aus Spanien kämen, denn so ein komisches Nummernschild habe er vorher noch nie gesehen. Als ich Deutschland angebe, glaubt er mir nicht, denn er kennt nur die Exportkennzeichen mit dem gelben Balken.

Wir verabschieden uns und wollen die letzten 60 Km bis Nioro noch schnell im Hellen fahren. Auffallend ist, dass die Leute hier in Mali wesentlich lockerer und offener sind als in Mauretanien. Jeder winkt uns, alle sind freundlich. Es fällt schwer, zu glauben, dass man sich hier noch immer im „Rebellengebiet“ befindet, wo Raubüberfälle auf motorisierte Touristen keine Seltenheit sind.

Kurz vor Nioro dann mal wieder eine Polizeikontrolle, doch die schickt uns fort – direkt weiter zum Zollgebäude. Dort angekommen müssen wir für 20 Euro das „Laisser Passer“ fürs Auto kaufen, aber alles freundlich und problemlos. Nun müssen wir den Zettel nur noch von der Polizei abstempeln lassen, dann ist alles erledigt.

Wir rollen in der Dämmerung in Richtung „Centre Ville“ – und sind plötzlich mittendrin, aber keine Spur von der Polizei. Kinder sprechen uns an und sind bereit, uns für ein „cadeau“ auch den Weg dorthin zu zeigen. Wir sind einfach am Haus vorbeigefahren! Der Polizist ist sehr freundlich und verlangt 200 CFA für den Stempel. Ich hab nur noch 100 – vom letzten Urlaub – und will das gerade erklären, als er abwinkt und sich mit der Hälfte zufrieden gibt.

Ich frage nach einem Campingplatz und er sagt mir, dass uns die Kinder den Weg dorthin zeigen könnten.

Nun geht es durch mehrere unbeschilderte Gassen und irgendwann stehen wir in einem Hinterhof ohne Schild – dem Hotel „Yonki Ligun“! Im ersten Moment sind wir ziemlich erschrocken: das Hotel hat seine besten Zeiten wohl schon hinter sich. Doch dann sagen wir zu, ein Zimmer scheint ganz o.k., es gibt eine kalte Dusche und ein Klo und wir haben auch schon wesentlich schlimmeres gesehen!

Einziges Problem ist mal wieder die extrem anstrengende Kinderhorde, die nach allem möglichen bettelt. Der Tag war sehr hart und irgendwann wird Peter energisch und laut. Das wirkt sofort und wir können in Ruhe unsere Sachen aus dem Auto räumen.

Als erstes bekommen wir im Gartenrestaurant ungefragt ein Bier angeboten – die wissen wohl, dass wir aus Mauretanien kommen! Nach einer erfrischend kalten Dusche sitzen wir draußen, bestellen etwas zu essen und trinken unser wohlverdientes Bier. Währenddessen lässt uns der Hotelbesitzer kostenlos mit seinem Handy in Segou anrufen, um mit Alli Kontakt aufnehmen zu können, doch außer dem Kindermädchen erreiche ich dort keinen.

Nach der zweiten Flasche haben wir beide die nötige Bettschwere, zumals wir zum ersten Mal in diesem Urlaub wieder in einem afrikanischen Bett schlafen – 1,70m lang, für Peter nicht ganz so optimal!

 

Sonntag, 13. Januar ´08

Nioro – Bamako

276603 – 277057 Km

Auch heute ist die Nacht nicht besonders lange, da das Bett zu weich ist und die Hunde zu laut bellen. Wir frühstücken im Morgengrauen, dann ziehen wir los, um uns eine Versicherung fürs Auto zu organisieren. Das Versicherungsbüro liegt außerhalb des Dorfes und wir müssen öfters nach dem Weg fragen, bis wir endlich dort ankommen. Der Beamte dort öffnet gerade den Laden, die Abwickelung geht schnell. Für 10.000 CFA bekommen wir die „Carte brune“, die für alle westafrikanischen Länder gültig ist. Auf dem Rückweg kaufen wir noch Brot für die Fahrt. Im Hotel können wir auch Geld wechseln, schnell ist alles zusammen gepackt und wir sind wieder unterwegs. Auf der Straße treffen wir wieder den Franzosen, der in Kiffa nachts auf dem Campingplatz neben uns geparkt hat. Er ist schneller unterwegs als wir – bei den Pausen überholen wir uns gegenseitig.

Etwa 10 Kilometer vor Didienni ist die Asphaltstraße dann zu Ende. Die nächsten Kilometer geht es über Piste weiter, mit Wellblech und sehr viel Staub.

Auffallend ist, dass wir bis jetzt in Mali noch keine Polizeikontrolle gehabt haben. Ebenso auffallend ist, dass uns hier die Kinder ohne Ausnahme alle mit „cadeau“ anschreien. In den Dörfern, die wir durchfahren, herrscht immer Chaos. Die Straßen sind mit Menschen, Tieren und Fahrzeugen verstopft und es fällt schwer, sich einen Weg durch die menge zu bahnen.

Der Weg bis nach Bamako zieht sich in die Länge und es wird Nachmittag, bis wir den Stadtrand erreichen. Da wir von einem großen Hügel nach Bamako einfahren, bietet sich uns beste Sicht auf das Straßengewirr rechts und links vom Niger.

In unserem Reiseführer steht, dass man am anderen Stadtende in Richtung Segou bei einem Hotel campen kann. Mit Hilfe der freundlichen Straßenpolizei finden wir unseren Weg ohne größere Schwierigkeiten, uns als wir zum drittenmal über die große Kreuzung auf der anderen Seite des Niger fahren, stehen wir plötzlich vor dem Hotel „Les Colibres“. Der Innenhof ist voll mit Autos, wir erkunden uns an der Rezeption und erfahren, dass Camping im Hof schon lange nicht mehr möglich ist, wenn wir bleiben möchten, müssen wir uns ein Zimmer holen. Als Alternative bekommen wir das „Maison de Jeunes“ genannt, wir müssten nur noch einmal zurück über den Niger, dann wären wir da.

Auf der autobahnähnlichen Hauptstrasse kann man nicht wenden – wir verpassen die richtige Ausfahrt zur Brücke und gelangen auf einen anderen Hügel. An der nächsten Ampel können wir drehen und fahren den ganzen Weg wieder zurück. Als wir zum vierten Mal an unserer altbekannten Kreuzung mit dem Polizisten vorbeikommen, starrt der uns irritiert an und zuckt die Schultern. Wir winken freundlich und fahren weiter – im Grunde genommen wissen wir ja, wo wir hinkommen, nur die hohe Straßenrandbegrenzung ist uns immer im Weg.

Kurz entschlossen wird der Golf in einem unbeobachteten Moment über eine solche Hürde hinweggescheucht – es rumpelt nur kurz und wir sind auf dem richtigen Weg! Endlich auf der anderen Seite des Niger ist es auch kein Problem mehr, das „Maison de Jeunes“ zu finden.

Wir werden freundlich empfangen – der Parkplatz ist zwar nicht unbedingt das, was wir uns für diese Nacht vorgestellt haben, doch es ist spät und wir sind müde.

Relativ schnell sind wir von einem Haufen Leute umlagert, die uns über alles ausfragen und unser Auto kaufen wollen. Irgendwann kommt auch unser Franzose aus Kiffa auf den Platz gerollt und erklärt uns, dass in der ganzen Stadt keine ordentliche Übernachtungsmöglichkeit zu finden ist, er nimmt sich hier ein Zimmer.

Wir kochen unser Abendessen vor dem Auto – noch immer umringt von einem Haufen Einheimischer. Im ersten Moment sind wir beide ziemlich genervt, nicht endlich mal unsere Ruhe haben zu können, doch später wird der Abend noch ganz lustig.

Pathe – ein junger Mann aus Bamako – bringt die komplette Ausrüstung zum Teekochen zu uns und die nächsten Stunden vergehen mit angeregtem Gespräch und mit traditionellem Tee trinken.

Es ist schon kurz vor Mitternacht, als wir unser Treffen beenden und Schlafen gehen – einmal Tee kochen hat fast zwei Stunden gedauert! Im „Hotel“ vom Parkplatz läuft laute Musik, die Nacht wird ziemlich ungemütlich. Bevor wir einschlafen, müssen wir unser Zelt erst mal von den unzähligen Moskitos befreien, die es hier am Nigerufer gibt.

Dann hören wir etwa bis 2.00 Uhr immer dieselbe Musik von einer Kassette – das Lied wird etwa 100 mal abgespielt, bevor endlich Ruhe einkehrt. Den Rest der Nacht schlafen wir ruhig auf unserem Parkplatz im Zentrum von Bamako.

 

Montag, 14. Januar ´08

Bamako – Segou

277057 – 277302 Km

Es ist schon fast hell, als ich heute morgen wach werde. Unser Parkplatz ist wesentlich leerer als am Vorabend – nur das Auto des Franzosen und des Spaniers stehen noch da.

Als wir vom Dach rutschen, stellen wir fest, dass unsere Nummernschilder vom Dreck befreit sind – wohl um zu sehen, ob der Golf auch zum Verkauf hier steht.

Heute morgen gibt es hier keine Moskitos mehr, stressfrei packen wir zusammen. Es ist erst 8.30 Uhr, als wir losrollen – oder besser: losrollen wollen!

War es gestern Abend schon schwer, unsere Unterkunft von der Brücke aus zu finden, so ist es heute morgen noch wesentlich schwerer, die Brücke von unserer Unterkunft aus zu finden. Theoretisch wissen wir zwar, wo wir hin müssen, nur es gibt mal wieder kein Weg da, wo wir ihn bräuchten!

In Bamako gibt es unendlich viele unasphaltierte, holprige Gassen und mindestens genauso viele asphaltierte Einbahnstraßen. Zuerst zockeln wir im Schritt-Tempo durch die Gassen, dann landen wir auf einer solchen Einbahnstraße, die nur leider in die falsche Richtung führt. Wir setzen unsere Stadtrundfahrt von gestern Abend fort, da wir von Bamako noch nicht genug haben. Da wir ja schon Übung darin haben, bepflanzte Mittelabtrennungen zu passieren, ist auch diese hier kein Problem und ehe wir uns versehen, sind wir auch schon auf unserer Brücke – natürlich in der richtigen Richtung unterwegs. Wir sind so erleichtert, dass Peter prompt über eine rote Ampel fährt, der Polizist pfeift uns entrüstet nach, doch wir halten nicht an, um zu hören, was er uns zu sagen hat und fahren weiter – so wie es auch die Einheimischen tun.

Endlich sind wir auf dem Weg nach Segou – zumindest vermuten wir sehr lange, dass es sich um die richtige Straße handelt, denn Verkehrsschilder gibt es in Bamako offensichtlich keine und wir fahren nach dem Kompass des GPS. Irgendwann passieren wir dann tatsächlich ein Ortsschild und nun haben wir Gewissheit, dass der Weg nicht umsonst war.

Der Verkehr ist heute morgen sehr dicht und die Sonne steht noch tief – der Durchblick durch unsere nicht so ganz sauberen Scheiben ist sehr bescheiden.

Nach 250 Kilometern kommen wir in Segou an und versuchen, das Hotel „Djoliba“ nach den GPS-Daten der Lila Pistenkuh zu finden – erst auf der Hauptstraße, dann über Schotterpisten, bis wir in einem namenlosen Hinterhof stehen. Hier handelt es sich eindeutig nicht um eine Hotelanlage, unsere Koordinaten sind falsch!

Hinweisschilder gibt es auch hier keine, wir müssen uns durch den ganzen Ort durchfragen, bis wir das recht große Hotel gefunden haben – eigentlich nicht zu übersehen.

Dort angekommen, erwartet uns zuerst mal ein neuer Schreck: Alli ist nicht hier und jemand sagt uns, dass das Hotel voll ist. Es gäbe aber noch eine Alternativunterkunft, die nur 7000 CFA kostet. Wir sollen uns das ganze mal angucken und könnten dann immer noch mit Alli telefonieren. Das Zimmer sagt uns nicht zu, außerdem gibt es kein Wasser zum Duschen.

Auf dem Rückweg zum Hotel erfahre wir dann, dass unser „Führer“ gar nichts mit dem Hotel zu tun hat. Mittlerweile ist auch Alli angekommen; alles kein Problem, wir könnten auch auf der Dachterrasse in dem eigentlich geschlossenen Schlafsaal übernachten. Da oben angekommen beziehen wir unser Domizil, das wir mit einer Amerikanerin teilen.

Als wir zum Essen wieder runter kommen, machen wir Bekanntschaft mit zwei anderen Männern, die auch ein Auto zum Verkauf hierher gebracht haben. Die beiden sind Bekannte von Alli und wir unterhalten uns über unsere Erlebnisse auf der Strecke. Alli will sich um unsere Rückflüge kümmern und auch beim Autoverkauf helfen.

Später am Nachmittag fahren wir mit den beiden Männern zu Allis Privathaus zum Kaffeetrinken. Dort lernen wir auch Allis Frau und deren Sohn kennen.

Viel später kehren wir wieder zum Hotel zurück, räumen einen Teil des Gepäcks aus dem Golf. Zum Abendessen treffen wir uns wieder mit den anderen und bekommen ein unwiderstehliches Angebot gemacht: wir dürfen mit ihnen nach Timbuktu fahren und mit einer Segelpinasse wieder zurück – ein Traum scheint in Erfüllung zu gehen!

Schon wieder ist es relativ spät, als wir endlich zum Schlafen hoch gehen. Unser Dormitorium ist mittlerweile mit 5 Personen belegt. Da der Raum nach außen zu den Seiten offen ist, verfolge ich die Geräuschkulisse draußen noch lange, bevor ich endlich einschlafen kann.

Irgendwann in der Nacht bekomme ich Darmkrämpfe. Ich muß alle paar Minuten zur Toilette rennen und nehme an, dass ich das einheimische Essen auf dem Parkplatz von Bamako nicht vertragen habe, dass uns Pathe gebracht hat.

 

Dienstag, 15. Januar ´08

Segou

Offensichtlich bin ich doch irgendwann nach unzähligen Toilettenbesuchen eingeschlafen. Als ich wach werde, ist es schon hell und ich brauche lange, um festzustellen, wo ich überhaupt bin. Alle Anderen sind schon wach – ich habe bestens geschlafen! Wir gehen runter zum frühstücken, Alli ist auch schon da und setzt sich zu uns. Wir besprechen, was wir vor der Abfahrt nach Timbuktu noch alles zu erledigen haben. Wir sollen das Auto ausräumen und waschen lassen. Und dann natürlich den kaputten Auspuff schweißen lassen, hört sich ja verboten an.

Doch zuerst sollen wir mit ihm nach Hause zum zweiten Frühstück fahren. Dort treffen wir auch Helmut und Egon vom Bodensee wieder. Wir frühstücken in geselliger Runde, unsere Mahlzeit ist überregional, denn jeder hat etwas von Zuhause mitgebracht.

Nach einem langen Frühstück räumen wir unser Auto aus, die Lebensmittel kommen mit nach Timbuktu, alles andere wird im Lager des Hotels abgestellt. Es vergeht einige Zeit, bis der Golf leergeräumt ist, dann bringen wir ihn zum Waschen an die Tankstelle und wandern zu fuß zurück ans Hotel.

Jetzt endlich haben wir Zeit, uns das Flussufer vom Niger mal anzusehen. Nachmittags müssen wir unser Auto abholen. Für 2500 CFA – das sind etwa 8 Euro – bekommen wir einen blitzenden, krachneuen Golf präsentiert, kaum wiederzuerkennen!

Wir fahren zurück zu Alli, um den ganzen Kram wieder einzuladen, den wir dort im Hof zwischengelagert haben. Der hat uns mittlerweile die Rückflugtickets organisiert und ist mit Helmut auf dem Weg nach Bamako, um dort dessen Frau abzuholen, die mit Freunden nachgeflogen kommt.

In einer Werkstatt lassen wir unseren Auspuff wieder dranschweißen – für 3000 CFA werden Unmengen an Material verschafft. Nachdem der Golf am Hotel abgestellt ist, wimmelt es von Interessenten. Wir gehen runter zum Niger – pünktlich zum Sonnenuntergang. Am Fluss finden wir eine Pizzeria mit Uferterrasse. Um die Atmosphäre genießen zu können, lassen wir uns hier nieder und trinken etwas. Ich bin wegen meinen Darmproblemen etwas vorsichtig und bleibe bei der altbekannten Fanta, während Peter sich an „Jam-Jam-Saft“ traut. Keiner kann uns erklären, um welche Frucht es sich handelt, schmeckt aber trotzdem gut.

Es ist schon dunkel, als wir uns auf den Rückweg zum Hotel machen. Wir müssen den Golf noch in den bewachten Hof fahren, schließlich ist er unsere Rückreiseversicherung!

Im Restaurant treffen wir Egon alleine, gemeinsam gehen wir noch in die Bar des Schwulen um die Ecke, denn zum Schlafen ist es noch zu früh. Wir unterhalten uns lange nett, dann stöbert uns die Managerin des Hotels hier auf und sagt uns, dass „unsere“ Mutter angerufen hätte, um uns zu sprechen, aber leider nichts verstanden hätte.

Kann nur meine gewesen sein, denn Liesel kann Französisch. Wir verabreden uns mit Egon für 9.30 Uhr zum Frühstück und gehen zurück ins Hotel, um nach Deutschland zu telefonieren.

Wir sagen, dass alles in Ordnung ist, die Segeltour nach Timbuktu erwähnen wir vorsichtshalber nicht, um keine Unruhe zu stiften.

Annschließend gehen wir hoch aufs Dach – heute Abend teilen wir unser Domizil mit zwei Amerikanern, die aber beide schon schlafen. Draußen in den Straßen tobt noch das westafrikanische Leben, als wir uns auf die Matratzen legen.

 

Mittwoch, 16. Januar ´08

Segou

Wieder werde ich schon wach, als es schon hell ist. Oben auf der luftigen Dachterrasse schläft es sich sehr gut. Bis zum Frühstück haben wir noch zeit, also suchen wir das Internetcafé in Segou, um Afri-News ins Saarland zu schicken. Die Internetverbindungen sind hier sehr langsam und es dauert lange, bis wir endlich eine Nachricht ins Saarland versendet haben. Wir gehen zurück zum „Djoliba“ und frühstücken mit Egon – Alli’s Frau ist gerade da und gesellt sich zu uns.

Es ist schon später Vormittag, als wir endlich durch die Gassen bummeln. Der Golf steht mal wieder zur Besichtigung auf der Straße, von Interessenten umringt!

Segou ist voll mit Kunstläden, wir stellen fest, dass man beim Handeln etwa die Hälfte des verlangten Preises anstreben muss. Einkaufen ist hier langwierig und anstrengend, natürlich will jeder vom reichen Touristen profitieren. Um die Mittagszeit gehen wir wieder in die Pizzeria am Flussufer, dort wo auch die Krokodile sind.

Heute ist es relativ windig. Der Niger hat richtige Wellen und im Schatten ist es fast schon kalt. Auf dem Rückweg zum Hotel treffen wir Ibrahim, einen Jungen aus Segou, der an meinem alten Schlafsack interessiert ist. Wir gehen zum Hotel zurück und holen Schlafsack, Kanister und T-Shirts, die wir nicht mehr mit nach Deutschland nehmen. Ibrahim muss erst lange mit seinem Vater diskutieren, dann tauschen wir alles gegen eine handgewebte Decke um.

Später treffen wir Egon und setzen uns zu ihm. Die Anderen aus Bamako sind noch nicht eingetroffen und wir unterhalten uns lange. Gegen 17.00 Uhr trudeln sie ein und wir setzen uns ab, um nicht zu stören. Wir sitzen noch eine zeitlang im Innenhof im Pavillon.

Später, als es schon lange dunkel ist, gehen wir Beide rüber ins „Alphabet“ zum Schwulen essen, die Anderen bleiben auf der Terrasse des „Djoliba“. Heute sehen wir überall viele Touristen in Segou – auch wir sind nicht alleine im Restaurant. Nach dem Essen gehen wir zurück ins Hotel, denn ich bin todmüde und will schlafen.

 

Donnerstag, 17. Januar ´08

Segou

Es ist noch dunkel, als ich heute morgen wach werde. Selbst schuld, ich musste ja unbedingt so früh schlafen gehen! Um die Anderen nicht zu wecken, lese ich bis zum Sonnenaufgang. Unsere Amerikaner im Schlafraum reisen heute ab, als wir zum Frühstück runter gehen, ist alles ziemlich leer.

Um 10.00 Uhr fahren wir dann mit den Anderen zum Alli, wo dessen Frau schon auf uns wartet. Das „zweite Frühstück“ zieht sich lange hin, wieder kommt Egons Lieblingsspruch zum Zug: Afrika heißt warten!

Nach dem Essen werden Kisten gepackt; eine Getränkekiste, eine Frühstückskiste und eine Snackkiste. Wir brauchen lange, bis alles zusammen ist. Erst am Mittag fahren wir zurück in die Stadt und ich wandere mit Peter zum „Centre Artisanal“ am Nigerufer. In dem für Mali typischen Lehmhaus werden die Decken hergestellt, die Peter und mir so gut gefallen. Der Stoff wird dort gewebt, gefärbt und anschließend bemalt. Wir sehen uns die einzelnen Stationen an, die Handarbeiter erklären uns alles. Einfach so – niemand will Geld dafür haben und keiner drängt uns zum Kauf. Angenehme Atmosphäre!

Ganz Segou ist im Moment am Aufbau des „Festival du Niger“ beteiligt. Dieses große Fest findet am 31. Januar statt, wir bekommen es leider nicht mehr mit.

Schön aber auch, die ganzen Vorbereitungen zu sehen: auf die vorhandenen Lehmbauten werden neue Schichten mit frischem Lehm aufgetragen und alles mit Mustern verziert – Wischtechnik auf afrikanisch!

Es ist schon später Nachmittag, als wir zurück zum Hotel gehen. Auf dem Weg dorthin werden wir von Ibrahim abgefangen, der uns zum Tee mit seinen Freunden einläd. Der Junge ist glücklich mit unserem Schlafsack und wir setzten uns zu ihm. Die nächsten beiden Stunden verbringen wir teetrinkend auf afrikanischen Hockern am Straßenrand.

Es wir lustig: schnell klärt uns das kleine Grüppchen der jungen Händler auf, an welchen Merkmalen man erkennen kann, aus welchem Land die Touristen kommen: die Franzosen tauchen immer in Gruppen auf und reden furchtbar viel und laut, die Engländer flüchten kommentarlos von den Händlern und die Deutschen kaufen grundsätzlich nie was.

Zwischendurch pirscht sich Ibrahim immer wieder an Touristen ran, denen er seine CD´s mit einheimischer Musik verkaufen will. Er besorgt uns für unsere Timbuktu-Reise Kolanüsse, mit denen man dort fürs Fotographieren bezahlen kann. Es ist schon dunkel, als wir uns mit den Anderen im Hotel treffen. In großer Runde setzen wir uns in de Pavillon im Innenhof, um die Planung für den Trip abzuschließen. Zu acht werden wir morgen nach Timbuktu aufbrechen.

Zum Packen kommen wir heute nicht mehr, den es ist schon nach 22.00 Uhr, als wir aufs Dach gehen und unsere beiden neuen Mitbewohner schlafen schon. Naja, wird morgen auch noch irgendwie funktionieren. Wir stellen Peters Armbanduhr auf 7.00 Uhr und legen uns ins Bett.

Zum Einschlafen brauche ich mal wieder lange, denn hier in Segou fängt das Leben erst abends richtig an und an allen Straßenecke wird noch lange getrommelt und Musik gemacht.

 

Freitag, 18. Januar ´08

Segou – Mopti

Wir stehen heute morgen früh auf, denn Alli will früh aufbrechen. Wir warten noch bis 9.00 Uhr, dann werfen wir unser Gepäck in den Golf und fahren zu Zarths Privathaus. Etwas später trudeln die Anderen ein. Wir fahren mit zwei Geländewagen los, einem alten urigen Toyota und einem wesentlich eueren Model. Der Helmut’s Benz kommt als Zusatzfahrzeug bis nach Mopti mit, um dort verkauft zu werden.

Beim Gepäckeinladen hilft uns Frans, der „fahrende Holländer“, der uns auch schon gestern Abend im Djoliba Gesellschaft geleistet hat. Er ist ein Bekannter von Alli, handelt mit Perlen und begleitet uns heute bis nach Mopti. Während seines viermonatigen Afrikaaufenthalts kauft er Schmuckperlen ein, die er dann in Europa wieder verkauft. Nach Mopti wendet er sich nach Süden und fährt weiter nach Burkina Faso.

Gegen Mittag ist endlich alles so weit organisiert und wir teilen uns auf die Autos auf. Peter fährt mit Alli im alten Landcruiser, Helmut und Götz fahren zusammen im anderen Geländewagen und Edda soll zusammen mit Egon und Claudia im Tannerbenz bis nach Mopti fahren. Ich fahre die 450 Km bis Mopti mit in Frans’ Zweisitzer.

Zur Mittagszeit gehen wir in irgendeinem Campement essen; es gibt gebackene Kartoffeln mit dünnem Huhn. Egon isst nichts – er hat fürchterliche Angst davor, sich den Magen zu verderben.

Kurz nachdem wir weiterfahren, kommt es zu einem erneuten Halt: Alli hat am alten Toyo nen Platten! Schnell kann er mit Peters Hilfe das Problem beheben, ein etwas kleinerer Ersatzreifen befindet sich unterm Auto.

Wir sind mittlerweile mit deutlicher Zeitverzögerung unterwegs und werden Mopti wohl nicht mehr im Hellen erreichen. Schade, denn wir fahren jetzt durch eine herrliche Sahellandschaft mit unzähligen Baobab-Bäumen. In irgendeinem Dorf kaufe ich die Sesamkekse, die wir schon von Burkina Faso kennen. Viel später erreichen wir dann Mopti und es wird klar, dass sich die Gruppe für die Nacht teilen muss. Die Bodensee-Delegation nächtigt mit Alli in einem Luxus-Hotel, während Frans, Peter und ich zum Campement von Mopti weiterfahren. Hier bekommen wir ein relativ sauberes Zimmer mit Bad für wenig Geld, nur leider ist im Moment Stromausfall. Kennen wir auch schon, kein Problem!

Mit zwei Kerzen im Zimmer wird es sogar so hell, dass man die Geckos an den Wänden sehen kann und ich bin glücklich, dass wir fließendes kaltes Wasser in Zimmer haben. Zum Essen müssen wir uns ein anderes Restaurant aussuchen, denn ohne Strom bleibt hier die Küche kalt.

Frans kennt ein Lokal am Niger, wir fahren hin. Hier in Mopti scheint auch Lebensmittelknappheit zu herrschen: außer gebackenen Kartoffeln und Bier gibt es hier nix! Wir bestellen das Vorhandene und geben uns damit zufrieden – man muss eben die Menge anpassen. Es wird spät und Peter quatscht sich mit Frans fest, so dass ich alleine zum Campement zurückgehe. Ich muss noch Tagebuch schreiben und will noch schnell duschen – als ich die Tür aufsperre, verschwinden unzählige Geckos in den Nischen. Im Bad habe ich technische Schwierigkeiten, denn der Abfluss funktioniert nicht. Eigentlich nicht dramatisch, doch leider gibt es keine Duschkabine und das Bad liegt leicht erhöht zum Zimmer. Hier gilt also: Wasser sparen und aufpassen, dass mehr Wasser ins offene Klo als auf den Boden spritzt.

Anschließend verziehe ich mich schnell unters Moskitonetz, denn die Meute wartet schon und die Geckos kommen nicht nach. Es ist schon spät, als Peter endlich eintrudelt. Unser Bett ist klassisch afrikanisch, muss ich feststellen, als ich in der Matratze versinke. Hier draußen ist es wesentlich ruhiger als im quirligen Segou, doch es dauert trotzdem lange, bis ich endlich eingeschlafen bin, denn ständig plätschert Wasser aus dem Duschrohr in unsere ziemlich große Pfütze im Bad.

 

Samstag, 19. Januar ´08

Mopti – Campement Tenere

Heute morgen klingelt unser Wecker um 7.30 Uhr, denn Alli will uns früh im Campement abholen. Natürlich gibt es noch immer keinen Strom – wir hatten nichts anderes erwartet.

Wir packen im Dunkeln mit unseren Stirnlampen, lassen uns aber Zeit, denn Pünktlichkeit ist in Afrika eher ungewöhnlich. Draußen geht gerade die Sonne auf, wir sehen auf der anderen Seite des Wassers die schöne Lehmmoschee von Mopti. Zum Frühstück setzen wir uns auf die Terrasse des Campements, dort treffen wir noch zwei Bayer, die zum Wandern ins Dogonland wollen. Frans gesellt sich zu uns, wir bekommen zu fünft ein bescheidenes Frühstück vorgesetzt. Bei dem letzen Bissen kommt Alli in den Hof gerollt und nimmt mich mit dem Gepäck mit – Peter kommt mit Frans nach.

Um halb zehn ist alles in den Autos verteilt und wir fahren los. Alli, Peter und ich sitzen zu Dritt im alten Toyo, die Anderen haben zu fünft im neueren, großen Toyo Platz.

Die nächsten Kilometer sind noch bis Douenza asphaltiert, wir besorgen uns unterwegs noch Brot und Wasser. Im alten Toyo fährt es sich echt rustikal – ich bekomme eine Ahnung davon, wie die früheren Saharadurchquerungen waren.

In Douenza machen wir Mittagspause in einem Campement, es gibt Reis mit irgendeinem Fleisch. Ist zwar gewöhnungsbedürftig und etwas zäh, schmeckt aber nicht schlecht.

An der nächsten Kreuzung biegen wir nach Timbuktu ab – es folgen 200 Kilometer Schotterpiste! Im Osten sehen wir einen dominanten felsigen Gebirgszug, der Rest der Landschaft ist Steppe. Wir haben einen Fahrerwechsel gehabt; Peter und ich sitzen jetzt im neuen Toyo, Götz fährt. Die Piste ist teilweise extrem schlecht – die Toyos fräsen sich durch den losen Sand und veranstalten ein Pistenrennen. Sowohl Alli als auch Götz haben schon tausende von Pistenkilometern hinter sich gebracht, es macht sogar mir richtig viel Spaß.

Mal geht es mit 100 Stundenkilometern über die Wellblechpiste, mal über sandige Wege, ab und zu ziemlich knapp an den ginsterähnlichen Pflanzen vorbei (und manchmal auch mal drüber).

Wir haben eine fürchterliche Staubentwicklung im Auto und sind in kürzester Zeit völlig paniert – egal, ob die Fenster offen sind oder geschlossen.

Die Fähre über den Niger fährt nur bis 18.00 Uhr, wir können Timbuktu heute nicht mehr erreichen! Als Alternative übernachten wir im Campement „Tenere“, einem sehr sandigen Campingplatz mit kaltem Wasser. Zum Schlafen bekommen wir Nomadenzelte angeboten, doch Peter, Egon und ich bevorzugen ein Lager unter tausend Sternen direkt am Feuer. Idyllisch – wir liegen da unter freiem Himmel, in der Ferne hört man das Bellen vom Wüstenfuchs und neben uns brüllen die Kamele.

Hier draußen rufen die Muezzin noch ohne Lautsprecher, irgendwo in der Nähe macht jemand Musik auf der Maultrommel. Die Atmosphäre ist einfach zu schön, um einschlafen zu wollen und die Geräuschkulisse, die Sterne und der Duft des Feuers sind nicht in Worten zu beschreiben.

 

20. Januar ´08

Sonntag

Timbuktu

Ich werde heute morgen schon früh wach – es ruft zwar kein Muezzin, aber der Hahn kräht und es ist kalt. Bis die Sonne aufgeht, dauert es noch und ich warte unter meiner Decke, bis Peter das Feuer wieder angemacht hat.

Mit den ersten Sonnenstrahlen kommen auch die Anderen aus den Nomadenzelten gekrochen. Wir frühstücken gemeinsam und schon um 9.00 Uhr sind die beiden Toyos gepackt und wir rollen wieder auf die Piste.

In der selben Besetzung wie gestern schlucken wir auch heute wieder jede Menge Staub, bis wir endlich an der Nigerfähre ankommen. Auf die kleine Fähre passen gerade mal drei Autos und zwei Motorräder – wir kommen gerade an und können auch sofort losfahren. Die beiden Biker sind aus England und sind Teilnehmer der Motorrad-Rallye „London – Timbuktu“.

Es dauert lange, bis wir das andere Ufer erreichen. Von der Fähre zum Festland ist ein riesiger Absatz zu bewältigen – das hätte mit dem Golf nicht mehr funktioniert! Selbst unser Toyo setzt ziemlich heftig auf, als wir von der Fähre auf die Böschung fahren.

Timbuktu liegt mittlerweile 13 Kilometer vom Niger entfernt; wir sind überrascht, eine asphaltierte Straße zu finden. Auf dem Weg zum Ort sehen wir auch die Pinasse, mit der wir morgen in See stechen wollen, um zurück in die Zivilisation zu kommen.

Doch zuerst wollen wir uns heute noch Timbuktu ansehen, wo ich doch schon immer mal so gern hinwollte. Zum Übernachten fahren wir in die Karawanserei und Peter und ich stellen unser Zelt im Innenhof auf, während der Rest sich Zimmer nimmt. Es ist ungewohnt, unser Zelt im Sand aufzubauen, anstatt wie üblich auf dem Autodach!

Alli verschwindet zu irgendwelchen Bekannten, während wir uns mit den Anderen zum „Stadtrundgang“ begeben. In einem kleinen Restaurant bestellen wir uns etwas zu Essen – die Wüste ist hier überall, sogar im Fladenbrot ist Sand eingebacken!

Die drei alten Moscheen können wir uns nur von außen ansehen, denn uns Ungläubigen ist der Zutritt untersagt. Fotos von Personen können wir mit Kolanüssen bezahlen – der geführte Spaziergang durch den Ort ist unheimlich schön. Unser Begleiter Kalil ist Tuareg, wurde von Alli organisiert und kennt sich bestens aus.

Viel später kommen wir staubig und verdreckt zur Karawanserei zurück – ich setzte mich ab und mache noch einen Spaziergang durch die Dünen. Hier zu wandern scheint unbedenklich zu sein, die Leute, die ich treffe, grüßen sehr höflich, keiner bettelt mich an.

Durch ein sehr einfaches Wohngebiet mit flachen Lehmhäusern komme ich zum Kanal, der die Stadt mit dem Niger verbindet. Die Böschung ist sehr steil und aus weichem Sand, ich kann nicht bis zum Wasser runter. Auf dem Rückweg in unsere Unterkunft sehe ich vor einem Lehmhaus eine schöne Frau, die Fische in Öl brät. Ich frage, ob ich ein Foto machen kann, und biete als Gegenleistung die Nüsse an. Sie lehnt ab, lacht und sagt, ich darf ein Foto machen, wenn ich dafür einen Fisch kaufe und esse. Ich als Nichtfischesser verzichte auf das Foto, verabschiede mich freundlich und gehe zurück.

Am Abend essen wir in unserer Unterkunft, es gibt ein komplettes Menu: Kartoffeln, Reis und Hammelfleisch. Zum Nachtisch gibt es Obst in so einer Art Joghurt – Alli hat bestellt, es ist alles hervorragend! Während wir essen, bauen Musiker im Hof auf, den Rest des Abends verbringen wir mit Jimi-Hendrix-Klängen und Trommelrhythmen. Als wir schlafen gehen, steht ein fast voller Mond über unserem Zelt, und die Trommeln dröhnen noch immer. Kurz bevor ich die Kerze ausblase, haben wir noch Hundebesuch an unserem Zelt und ich muss den Kerl energisch davon überzeugen, dass wir keinen Platz mehr im Zelt haben und er draußen schlafen muss.

Es dauert lange, bis ich endlich eingeschlafen bis – sehr viele Eindrücke geistern in meinem Kopf herum.

 

21. Januar ´08, Montag

Irgendwo am Nigerufer

Auch heute morgen ist es noch dunkel, als ich wach werde. Mal wieder muss ich warten, bis es hell genug ist, um aufstehen zu können. Schon um 7.00 Uhr treffen wir uns mit den Anderen zum Frühstück. Anschließend ist schnell alles eingepackt und wir sitzen mit 8 Personen plus Gepäck im alten Toyo, um zum Hafen von Timbuktu zu fahren. Als wir an der kleinen Pinasse ankommen, gibt es teilweise kritische Blicke auf unser Fortbewegungsmittel. Trotzdem laden wir alles ein und fahren los. Schon auf den ersten 500 Metern stellen wir fest, dass sich auch im Inneren des Bootes Wasser ansammelt und ein Großteil der Gruppe besteht drauf, unser Fortbewegungsmittel zu wechseln – koste es, was es wolle!

Es kostet – und zwar richtig viel Geld! Etwa 15 Minuten später sitzen wir mit unserem Gepäck auf einer etwa zwanzig Meter langen Pinasse, extra für uns gemietet!

Für die nächsten drei Tage wird dies unser neues Zuhause sein, viel Bewegung at man hier nicht. Während wir den ganzen Tag auf dem Boot sitzen, zieht das afrikanische Leben bilderbuchmäßig an uns vorbei.

Wir passieren Fischerdörfer, nackte Kinder winken uns zu und bekommen dafür von ihren Müttern gescholten. Es gibt nix zu tun – wir gucken halt und dösen vor uns hin! Ich bin überrascht, wie leicht mir das fällt, hatte ich doch am Anfang Angst davor, von der Langeweile aufgefressen zu werden!

Gegen Abend, kurz vor Sonnenuntergang, lagern wir an einem Sandstrand in den Dünen. Schon ehe wir festen Boden unter die Füße bekommen, müssen wir feststellen, dass wir doch nicht so ganz einsam sind: eine Schar Kinder steht vor uns am Strand und betrachtet uns aus angemessener Entfernung. Wir bauen unsere Zelte im weichen Sand auf und Helmut kocht Nudeln für Alle.

Unser Fahrer Amidou und sein Freund besorgen uns im Nachbardorf Feuerholz; sie selber wollen nicht im Camp bleiben, denn im Nachbardorf haben sie die Möglichkeit, das Fussballspiel Mali-Benin im Radio verfolgen zu können.

Wir sitzen noch recht lange am Feuer, hinter uns rauschen die Wellen des Niger, über uns scheint der Vollmond und in meiner Tasse schwappt der gute alte Merlot – alles ist perfekt!

Als unser Feuer abgebrannt ist, gehen wir schlafen – schließlich hatten wir einen harten Tag!

 

22. Januar ´08, Dienstag

Ufer Niger, die Zweite

Mal wieder werde ich weit vor dem Sonnenaufgang wach und mal wieder hocke ich im Zelt und lese, bis es endlich Zeit wird, um regulär aufzustehen. Heute morgen sind keine Kinder um unser Lager; wir packen alles auf unsere Pinasse, stechen in See und frühstücken dann an Bord. Wir wissen jetzt schon, dass es ein langer Tag auf der Pinasse wird, denn auch heute Abend werden wir noch nicht an unserem Ziel ankommen! An Bord gibt es nicht viel zu tun; wir liegen rum, gucken, dösen oder schlafen.

Heute hat der Niger ziemlich Seegang, der erste Teil der Fahrt wird recht interessant. Felsig ist es hier – es gibt sogar Bojen, die Untiefen anzeigen! Ab und zu sehen wir Nilpferde zum Teil aus dem Wasser auftauchen, doch glücklicherweise immer weit genug von unserem Boot entfernt.

Gegen Mittag machen wir Landgang in Niafunke, einem kleinen Dorf etwa in der Hälfte unserer Strecke. Mal wieder werden wir von den Dorfkindern umringt, jeder von uns hat ein Kind an der Hand, das uns bis auf den Markt begleitet.

Die Kinder lassen sich gerne mit der digitalen Kamera fotografieren und wollen das Ergebnis anschließend bewundern. Auf dem Markt angekommen kaufen wir eine Schafkeule als Ergänzung zum Abendessen. Bevor wir wieder an Bord gehen, trinken wir noch etwas im örtlichen Campement.

Mit Schafkeule, Fladenbrot und Tomaten bestückt gehen wir wieder zur Pinasse, um die zweite Hälfte der heutigen Etappe anzugehen. Die nächsten Stunden hängen wir wieder rum; ich habe noch nie so intensiv rumgedöst wie in den letzten zwei Tagen!

Die Sonne ist schon am Untergehen, als wir nach einem geeigneten Lagerplatz Ausschau halten. Helmut hat schon das Fleisch mit der Soße fertig gemacht, als wir unser Camp aufbauen. Unser Lagerplatz liegt diesmal in einem idyllischen Eukalyptuswald, heute Abend ist nicht mit Besuch zu rechnen.

In weniger als 15 Minuten steht das Camp und der Reis kocht. Beim Abendessen leuchtet der Vollmond hell über dem Niger, wir brauchen sonst keine Beleuchtung!

Wir gehen verhältnismäßig früh schlafen – heute bekommen wir unsere Gute-Nacht-Musik von unzähligen Fröschen, die am Ufer im Gras sitzen.

Die Nacht wird unruhig! Zuerst schlafe ich gut, doch es ist erst kurz nach ein Uhr, als ich wieder wach werde. Die Wüstenfüchse fangen an, den Vollmond anzuheulen. Erst ist es nur ein Einzelner, dem ich fasziniert lausche, doch als dann kurze Zeit später die ganze Meute einfällt, stellen sich mir die Haare. Lange versuche ich vergeblich, wieder einzuschlafen.

Kurz vor dem Einschlafen werde ich dann durch ein neues – lange nicht mehr gehörtes – Geräusch wieder aufgeschreckt: Brummen im Wechsel mit langen, rhythmischen Atemzügen. Die Nilpferde sind zum Fressen an Land gekommen! Gebannt höre ich noch eine zeitlang zu, dann schlafe ich irgendwann wieder ein.

 

 

23. Januar ´08, Mittwoch

Sevaré (Mopti)

... dann endlich, um 6.00 Uhr höre ich „Kikeriki“ – Helmuts Handy-Wecker klingelt. Leises Gekicher in allen Zelten, so nach und nach kommen alle zum Vorschein.

Wir müssen heute früh los, um vor dem Wind den „Fleuve“-See zu überqueren, den der Niger durchfließt.

Es ist noch dunkel, als wir unser Camp schon komplett abgeschlagen haben und uns aufs Boot begeben. Als die Sonne dann aufgeht, frühstücken wir erst mal. Wir genießen eine herrliche Landschaft: das Wasser ist heute morgen noch ganz glatt und die tiefstehende Sonne spiegelt sich.

Die nächsten Stunden vergehen so unspektakulär wie die letzten zwei Tage. Wir hängen rum, gucken, dösen und essen – die Landschaft hat sich nicht wesentlich verändert. Immer wieder Sanddünen, dazwischen flache Pflanzen, grasende Tiere und immer wieder Fischerdörfer, in denen wir das alltägliche Leben beobachten können.

Ein über Bord gegangener Eimer sorgt für aufregende Abwechslung: unser Fahrer umkreist das gute Stück so lange mit der großen Pinasse, bis es nach etlichen komplizierten Wendemanövern wieder aufgegabelt ist.

Bis kurz vor Kona geht es dann wieder ruhiger weiter, dann Aufregung: mitten in der Wildnis ist ein großes Passagierboot gestrandet – Maschinenschaden! Wir halten bei den Betroffenen an und laden den Mechaniker zu uns aufs Boot, damit er in Mopti Ersatzteile beschaffen kann. Die über 50 Reisenden müssen so lange ausharren – schätzungsweise 2-3 Tage!

Die Weiterfahrt verläuft dann ohne Zwischenfälle, irgendwann ist unsere unendliche Bootsfahrt dann doch zu Ende und wir erreichen das Festland. Doch hier gibt es dann direkt die nächste Überraschung, denn nach soviel Ruhe du Entspannung müssen wir doch noch etwas geboten bekommen!

Unser Boot ist zu groß für den eigentlichen Hafen – wir müssen „draußen“ parken. Und bis zur eigentlichen Strasse müssen wir noch etwa einen Kilometer zurücklegen – irgendwie!

Alli organisiert zwei Eselskarren, während wir beim abgeladenen Gepäck warten. Die Kinder sind hier sehr zutraulich, wolle ständig mit der Digitalkamera fotografiert werden, um sich das Ergebnis dann ansehen zu können. Wir bekommen schöne Kinderfotos!

Als dann alles aufgeladen ist, marschieren wir zum Dorf – zumindest bis fast zum Dorf, denn dazwischen ist noch ein Kanal zu überwinden. Unsere Eselskarren benutzen die Furt und gebannt schauen wir zu, wie die Wagen in denn Fluten versinken, bis unser Gepäck nur noch zwei Zentimeter von der Wasseroberfläche entfernt ist. Unruhe hält Einzug, doch schon geht es wieder bergauf und die tiefste Stelle ist überwunden!

Wir selber müssen mit einer Piroge übersetzen und es dauert einen Moment, bis wir ein einigermaßen schwimmfähiges Modell gefunden haben. Auf der anderen Seite des Wassers wartet auch schon unser guter, alter Toyo auf uns; Der Neuere ist in Timbuktu verkauft worden.

Während das Gepäck eingeladen wird, muss ich wieder Kinder fotografieren, um die Horde vom eigentlichen Geschehen abzulenken. Da alle Personen und Gepäck mal wieder nicht in ein Auto passen, müssen wir noch ein Taxi organisieren, um bis Sevaré zu kommen.

Alli und Götz fahren im Toyo, wir heuer uns einen sehr alten Mercedes-Taxi-Bus an. Mit sechs Personen sitzen wir hinten auf den harten Bänken im Fahrgastraum. Zuerst sitzt noch der Adjudant des Fahrers bei uns hinten drin, doch der stinkt so intensiv nach noch nie gewaschenem Mann, dass Edda drauf besteht, den Kerl in die Fahrerkabine zu befördern.

Die 60 Kilometer bis nach Mopti legen wir quasi in einem leeren Taxi zurück – doch nicht besonders schnell, denn es dauert ewig, bis die alte Mühle Mopti endlich im Dunkeln erreicht.

Alli ist schon vorrausgefahren, denn seine Lichtmaschine ist hin und im Dunkeln sieht er nichts mehr.

In Sevaré muss unser Taxifahrer sich dann durchfragen, um unser Hotel „Mankan Te“ zu finden, das von der deutschen Jutta geleitet wird.

Wir werden herzlich empfangen – zuerst gibt es eiskalte Getränke für alle. Eiskalt im wahrsten Sinne des Wortes, denn mein Bier ist in der Flasche angefroren, so kalt ist es. Zum Essen gehen wir in das dazugehörige Restaurant, etwa 500 Meter von unser Unterkunft entfernt.

Jutta gesellt sic zu uns – erzählt uns übers Dogonland, wo wir unseren nächsten großen Radurlaub hin machen wollen. Es ist schon nach 23.00 Uhr, als wir in unser Zimmer gehen, das wir uns mit Alli teilen. Mittlerweile ist es ungewohnt, in einem richtigen Bett zu schlafen, doch die Matratze ist auch nicht weicher als meine Isomatte!

 

24. Januar ´08, Donnerstag

Sevaré – Segou

Schon um 6.00 Uhr klingelt der Wecker, denn wir wollen heute in Segou ankommen! Für um 7.00 Uhr haben wir Frühstück bestellt und schon eine knappe Stunde später sind wir schon auf dem Weg.

Peter fährt mit den „Bodenseelern“ in Helmut’s Benz, den wir auf der Hinfahrt in Mopti gelassen haben. Ich sitze zusammen mit Claudia bei Alli im alten Toyo, aus Platzgründen mit Mule aus Timbuktu hinten beim Gepäck. Mule war vor langer Zeit mal Azubi bei Alli in der Autowerkstatt gewesen und nutzt jetzt die Gelegenheit, mit uns nach Segou zu reisen.

Wir kommen bis kurz vor San, als beim Toyo mal wieder ein Reifen platzt. Die weichen, groben Geländereifen mögen die Fahrt auf dem heißen Asphalt nicht!

Peter, Alli und Mule wechseln, ich steige zu den anderen im Mercedes bei und zu sechst fahren wir ins Campement von San, wo wir auch schon auf der Hinfahrt gegessen hatten. Interessanterweise hält uns die Polizeikontrolle nicht an, obwohl wir zu zweit auf dem Beifahrersitz hocken. Helmut’s Benz hat noch das deutsche Kennzeichen – wir werden nur freundlich durchgewunken.

In San treffen wir dann auch bald die Anderen, der Toyo läuft wieder. Nach einer Cola-Huhn-Pause gehen wir die letzte Etappe an und kommen um 14.00 Uhr in Segou an.

Peter und ich gehen wieder nach oben auf die Dachterrasse, die anderen beziehen Zimmer im Nebengebäude.

Wir können heute Mittag noch nichts packen, denn unsere Sachen sind noch bei Alli am Haus. Statt dessen verbringen wir unsere Zeit damit, durch die Gassen zu bummeln und Sachen einzukaufen. Schnell stellen wir fest, dass die Händler hier in Segou fast den vierfachen Wert von der Ware verlangen, um möglichst viel Profit zu machen.

Gegen Abend kommen wir wieder zurück zum Hotel und treffen uns mit Alli und den anderen zum Abendessen.

 

25. Januar ´08, Freitag

Segou – Casablanca – Frankfurt

Ich bin schon lange wach, als die Sonne endlich aufgeht. Es gibt heute noch viel zu tun. Wir müssen die Nummernschilder vom Golf abschrauben, die Papiere sortieren und unser Gepäck überall zusammensuchen – bzw. die Sachen loswerden, die nicht mit zurück nach Deutschland sollen.

Wir frühstücken und warten dann auf Alli, um die Sachen aus dem Lager zu holen. Als nächstes wird gepackt und aussortiert. Als wir endlich alles so weit verstaut haben, bleibt uns keine Zeit mehr, eine Einkaufstour zu starten. Wir verabschieden uns schnell von Alli’s Frau, werfen das ganze Gepäck in deren Mazda, dann bringt uns Alli zum Bus. Wir sind mit denn Bodenseelern und Gepäck zuviel Masse, um mit einem Auto nach Bamako fahren zu können – Peter und ich fahren mit dem Linienbus und treffen uns dann mit den anderen am Flughafen.

Der Bus ist für afrikanische Verhältnisse in einem sehr guten Zustand: jeder hat einen ganzen Sitz für sich und wir müssen kaum warten, bis die Fahrt losgeht.

Wir machen bis Bamako nur sehr wenig Pause, so dass wir schon nach vier Stunden Fahrt dort ankommen. Da wir uns ja mittlerweile schon relativ gut auskennen, wissen wir, wo wir aussteigen müssen, um den Abzweig zum Flughafen zu finden.

Die Taxis stehen hier am Kreisel am Straßenrand und ohne Unterbrechung geht es weiter. Es ist kurz nach sechs, als wir am Flughafen ankommen. Wir wollen uns mit Alli im Restaurant „Cordon Bleu“ treffen, also setzten wir uns dort auf die Terrasse. Wir sind die einzigsten Gäste.

Kurz nach 21.00 Uhr kommt Alli mit den Anderen. Nach einer schnellen Verabschiedung beginnt für uns eine ewige Warterei, denn unser Flug nach Casablanca geht erst um halb vier in der Nacht.

Um halb elf verabschieden sich Claudia, Götz und Edda von uns, die drei haben einen anderen Rückflug als wir.

Helmut, Egon und wir beide bleiben übrig. Die nächsten Stunden verbringen wir in einem Cafe am Flughafen, dann wird es endlich Zeit zum Einchecken. Am Zoll dann unerwartete Probleme: ich werde angesprochen, was mit dem Auto passiert sei, das in Mauretanien in meinem Pass eingetragen wurde! Mit einem Schlag sind meine Französischkenntnisse verschwunden – ich entscheide mich dazu, kein Wort zu verstehen. Da die Warteschlange hinter mit immer länger wird und die Zeit drängt, gibt der Zollbeamte sein Verhör endlich auf! Erleichtert gehen wir ins Flugzeug und starten mit nur minimaler Verspätung!

Als wir in Frankfurt landen, hat uns die europäische Realität schnell wieder eingeholt, Hetze ist angesagt. Da es schon spät ist, müssen wir uns beeilen, um noch einen Zug ins Saarland zu erwischen. Schnell haben wir unsere Sachen zusammen – es ist alles angekommen! Gepäck und Pässe werden zu unserer Überraschung nicht kontrolliert, wir laufen weiter zum Bahnhof. Die Zugverbindung ist tadellos, wir kommen in einer Rutsche mit Umsteigen in Saarbrücken bis nach Merzig. Hier ist am Sonntagabend Endstation, meine Eltern kommen uns Abholen!

Mal wieder ist ein Erlebnis zu Ende, wir sind um viele Erfahrungen reicher, haben neue Ideen für weitere Reiseziele bekommen...